Review: DER DRITTE MANN - Ein zeitloser Klassiker

                                                                    
Fakten:
Der dritte Mann (The Third Man)
GB, 1949. Regie: Carol Reed. Buch: Graham Greene. Mit: Joseph Cotten, Alida Valli, Trevor Howard, Orson Welles, Bernard Lee, Paul Hörbiger, Ernst Deutsch, Siegfried Breuer, Erich Ponto, Wilfrid Hyde-White, Hedwig Bleibtreu u.a. Länge: 105 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Der erfolglose Schriftsteller Holly Martins reist in das nach Kriegsende besetzte Wien, um seinen alten Freund Harry Line zu besuchen, der ihm einen Job in Aussicht gestellt hat. Dort angekommen kann er nur nach an dessen Beerdigung teilnehmen, Harry wurde überfahren. Als sich Holly nach dem Unfallhergang erkundigt, kommen ihm Zweifel an der Geschichte. Die beiden Anwesenden Zeugen, Freunde von Harry, scheinen ihm etwas zu verschweigen. Dann erfährt er, dass noch ein dritter Mann am Unfallort gewesen sein soll, was die Anderen abstreiten. Auch die Polizei scheint ein reges Interesse an dem Fall zu haben, angeblich war Harry in kriminelle Machenschaften verwickelt. Holly und Harrys Geliebte Anna forschen nach.

                                                                                   

Meinung:
Ist er der dritte Mann?
Mit allgemein als Klassiker geltenden Filmen ist es manchmal ja nicht ganz so einfach. Sie haben ihren Status meist inne, da sie ihrer Zeit weit voraus waren und/oder das Maß der Dinge darstellten. Das muss ihnen angerechnet werden, nur überzeugen sie unabhängig davon auch heute noch, ganz neutral und ehrlich betrachtet? Im Fall von Carol Reed's Film-Noir "Der dritte Mann" lässt sich diese Frage ohne Zweifel beantworten: Ja, und wie! Es lässt sich rein gar nichts entdecken, was aus heutiger Sicht antiquiert oder überholt wirkt. Weder die handwerkliche Inszenierung, noch der Erzählstil oder die Geschichte. Carol Reed ist somit tatsächlich wohl ein Film für die Ewigkeit gelungen, ein zeitloses Meisterwerk und der Beweis dafür, dass außerordentliche Qualität über die Jahrzehnte bestehen kann.


Wien hat nicht nur schöne Seiten.
Dabei ist es nicht ein mal die Story per se, es ist die Art und Weise, wie sie vorgetragen wird. Im Grunde genommen bietet "Der dritte Mann" ein spannende, allerdings nicht herausragende Geschichte. Die Stimmung ist dafür sensationell. Ein Grund dafür: Anton Karas' ungewöhnlichen Zither-Score, dessen heiterer, beschaulicher Grundton sich eigentlich mit der Handlung und den teils düsteren Bildern beißen müsste. Paradoxerweise ist genau dies nicht der Fall. Die Musik entwickelt sich zum Ohrwurm, hat einen hohen Wiedererkennungswert und untermalt perfekt den eigentlichen Star des Films: Das vom Krieg zerstörte und durch die Besatzermächte aufgeteilte Wien ist nicht nur eine eindrucksvolle Kulisse, sie wird zudem von Kameramann Robert Krasker wirkungsvoll eingefangen. Dunkle Gassen, zerbombte Ruinen, der Prater und natürlich das legendäre Finale mit einer minutenlangen Hetzjagd durch die Kanalisation. Wien ist kein beliebiger Schauplatz, nirgendwo anders könnte "Der dritte Mann" eine solche Atmosphäre erzeugen und neben dem eigentlichen Plot noch so viel Zeitgeschichtliches erzählen. Über illegale Schieberein, mit denen sich die verarmte Bevölkerung die Existenz und sogar das reine Überleben sichern muss, über das Misstrauen und der Furcht vor der übermächtigen Polizei der Alliierten, über Geheimnisse, Lügen und Betrug. Die Geschichte rund um den mysteriösen Unfall des Amerikaners Harry Line und den unbekannten dritten Mann scheint nur Eine von Vielen zu sein, die sich zu der Zeit dort abspielten. Eine Stadt, deren Bewohner eigentlich befreit und dennoch gefangen wirken. Eine Zeit des Umbruchs, nach dem Krieg, der Diktatur, doch noch lange nicht frei und autonom. Der optimale Nährboden für geheime Machenschaften, zwielichtige Gestalten und krumme Geschäfte. "Der dritte Mann" nutzt diese Ambiente erstklassig und wirkt dadurch bis heute einzigartig.


Ein Stück Filmgeschichte, wahnsinnig einnehmend und immer noch beeindruckend. Faszinierend, wie wenig ein Film nach so langer Zeit verlieren kann und was ihn heute noch ausmacht. Sollte jeder mal gesehen haben, nicht nur aus filmhistorischen Interesse. 

8,5 von 10 Schüssen in der Kanalisation.
  

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