Review: DEMOLITION – Auf destruktiver Suche nach dem eigenen Ich



Fakten:
Demolition
US, 2015. Regie: Jean-Marc Vallée. Buch: Bryan Sipe. Mit: Jake Gyllenhaal, Naomi Watts, Chris Cooper, Judah Lewis, C.J. Wilson, Polly Draper, Debra Monk, Wass Stevens u.a. Länge: 101 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Im Kino.


Story:
Der Investmentbanker Davis Mitchell wird urplötzlich von einem schweren Schicksalsschlag getroffen. Bei einem Autounfall verliert er seine Frau, während er selbst ohne einen Kratzer mit dem Leben davon kommt. Viel stärker beschäftigt ihn allerdings, dass er nach diesem tragischen Ereignis keine Trauer verspüren kann. Er beginnt damit, sein bisheriges Leben grundlegend in Frage zu stellen, umzukrempeln und einzelne Bestandteile mit ungewöhnlichen Mitteln zu zerstören...




Meinung:
Nachdem er bereits früher durch sein Schauspiel in einigen Abständen Aufsehen erregte, darf sich Jake Gyllenhaal mittlerweile zu den beliebtesten Darstellern seiner Generation zählen, der jeden Film, in dem er aktuell mitwirkt, zu einem mit Vorfreude versehenen Erlebnis werden lässt. In Werken wie "End of Watch", "Prisoners", "Nightcrawler" oder "Southpaw" zog Gyllenhaal die Aufmerksamkeit durch seine markante Präsenz stets voll auf sich, weswegen viele Zuschauer nicht ganz unbegründet der Meinung sind, dass jeder Film mit ihm in der Hauptrolle alleine deshalb eine Sichtung wert ist.


Mit extremen Mitteln geht er ans Werk
Regisseur Jean-Marc Vallée hat das wertvolle Potential dieses Schauspielers ebenfalls erkannt und stellt Gyllenhaal in seinem aktuellen Film "Demolition" daher in fast jeder Szene in den Mittelpunkt der Geschichte. In der Rolle des Investmentbankers Davis Mitchell ist Gyllenhaal erneut voll in seinem Element, wenn er seine Figur als verschlossenes Fragezeichen anlegt, bei dem der Betrachter die meiste Zeit über damit beschäftigt ist, sich auf den Charakter dieses Mannes einen Reim zu machen. Davis verliert zu Beginn der Handlung seine Frau bei einem Autounfall, doch die unmittelbare Reaktion auf den schweren Verlust fällt deutlich anders aus, als es für gewöhnlich der Fall ist, wenn einem Menschen die Liebe seines Lebens von einem Moment auf den anderen schlagartig entrissen wird. Als wäre nichts geschehen, geht Davis einfach zum üblichen Tagesgeschehen über und führt seine Arbeit fort, während er nebenbei bemerkt, dass er einen auffälligen Drang dazu entwickelt, Dinge zu zerstören und sein Leben umzukrempeln.


Einfach mal wieder lächeln
Der Film setzt sich hierbei mit einer speziellen Art der depressiven Trauerbewältigung auseinander, indem Davis nach und nach vor die quälenden Fragen gestellt wird, ob er seine Frau jemals wirklich geliebt hat, ob das Leben, das er bisher geführt hat, ansatzweise dem entspricht, was er sich vom Leben erhofft und ob er tief in sich überhaupt noch irgendwelche Gefühle verspürt. Im Vergleich zu seinen vorherigen Filmen "Dallas Buyers Club" und "Wild", die eher konventioneller inszeniert waren und eine glatte Handschrift trugen, welche nach typischem Oscar-Material aussah, versprüht "Demolition" eine wesentlich verspieltere Atmosphäre. Durch die experimentelle Montage, bei der Vallée durch die Zeit springt, Erinnerungen in aktuelle Szenen einfügt und einzelne Abschnitte völlig undurchschaubar anordnet, entsteht der Eindruck eines chaotischen Erzählstils, der sich dem verwirrten Charakter der Hauptfigur stimmig angleicht. Eine große Stärke des Films besteht darin, dass er sich dauerhaft eine gewisse Unvorhersehbarkeit bewahrt, die nie erahnen lässt, in welche Richtung sich die Geschichte als nächstes bewegen wird. Man kann "Demolition" als ironische Zuspitzung einer Lebenskrise betrachten, bei der die Hauptfigur auf eine offensiv destruktive Weise nach dem eigenen Ich gräbt, wobei Davis nicht bemerkt, was er mit seinem Umfeld anrichtet, während er sich ausschließlich um persönliche Probleme kümmert.


Diesen Eindruck sabotiert das Drehbuch von Bryan Sipe im nächsten Moment aber wieder, wenn der Film dramaturgisch zunehmend episodenhaft zerfasert. Neben Davis, der durch einen eher zufälligen Briefkontakt eine tiefe Beziehung zur Kundenservice-Mitarbeiterin Karen aufbaut, schweift die Handlung immer wieder zur von Naomi Watts gespielten Figur ab, die ebenfalls in einer Sinnkrise zu stecken scheint und darüber hinaus einen Sohn hat, der mitten in der Pubertät steckt und mit seiner Sexualität hadert. "Demolition" verliert den Fokus immer wieder aus den Augen, wirkt unentschlossen, wer nun mit wem interagieren soll und landet gegen Ende im erzählerischen Nirwana, wenn nicht mehr klar ist, auf was für eine Aussage der Film zwischen all den mal mehr, mal weniger eindeutigen Metaphern schlussendlich abzielt. Die quälende Unsicherheit in Gyllenhaals Augen, sein rätselhaftes Auftreten, das zwischen eingeschüchterter Nervosität, überheblicher Ignoranz und selbstsicherer Destruktion changiert, bleibt neben der phasenweise brillanten Montage auch nach diesem Streifen im Gedächtnis, aber was darüber hinaus?


6,5 von 10 Vorschlaghämmer



von Pat

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen