Review: DIE SÜßE GIER – Menschliches Unglück in drei Akten!




Fakten:
Die süße Gier (il capitale umano)
Italien, Frankreich. 2013. Regie: Paolo Virzi. Buch: Paolo Virzi, Francesco Bruni, Francesco Piccolo. Mit: Fabrizio Bentivoglio, Matilde Gioli, Valeria Bruni Tedeschi, Guglielmo Pinelli, Fabrizio Gifuni, Valeria Golino u.a. Länge: 111 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Ein Kellner fährt mit dem Fahrrad nach Hause und wird dabei von einem Auto gerammt und in den Straßengraben befördert. Der Fahrer flieht und bleibt zunächst unerkannt. In drei Kapiteln erzählt der Film die Geschichte von drei Figuren, die alle mehr oder weniger mit dem Unfall in Verbindung stehen.




Meinung:
In „Die süße Gier“ geht es weniger um Gier (wie uns der deutsche Titel glauben machen will), sondern eher um geheime Sehnsüchte und deren Folgen. Zwar ist die Gier nach Geld durchaus ein Motiv des Films, doch der Originaltitel, der übersetzt soviel wie Humankapital bedeutet, ist dabei deutlich treffender, denn „Die süße Gier“ zeichnet ein zynisches Bild über die aktuelle Wirtschaftslage Italiens und wirft die Frage auf inwiefern sich das Leben eines Menschen in Geld aufwiegen lässt. Dafür betrachtet der Regisseur Vertreter aus der Ober-, Mittel- und Unterschicht und verflechtet deren Schicksale ineinander.


Die Gier nach Entspannung
Der Film teilt seine Erzählung in drei Kapitel, die nacheinander präsentiert den selben Zeitraum im Leben seiner drei Protagonisten zeigen und sich dabei auch immer wieder überschneiden. Wir sehen die Geschichte von Immobilienmakler Dino Ossola, der durch den Freund seiner Tochter Selena Zugang zu einer reichen Familie findet und darin seine Chance sieht großes Geld zu machen. Ihn treibt die Gier nach Geld, aber noch mehr die Sehnsucht zur Oberschicht zu gehören. Er könnte zufrieden leben, aber er will mehr. Mehr Ansehen, mehr Geld und mehr Luxus. Carla Bernaschi führt dieses Leben in Luxus, doch ihr mangelt es an Beschäftigung und Zeitvertreib. Sie sucht einen Sinn in ihrem Leben und findet diesen ihn einem alten Theater, welches sie renovieren und neu eröffnen will. Zu den beiden stoßen noch eine gute Handvoll weiterer Figuren, die alle mit unterschiedlichen Problemen zu kämpfen haben. Affären, Trennungen und die Suche nach Liebe sind ebenso präsent wie das Streben nach Macht, Geld und Ansehen. Dabei führen diese Sehnsüchte alle Charaktere tief ins eigene Unglück und lösen einen Klassenkampf angefüllt mit menschlichem Elend aus.


Ein Prosit auf die High Society
Der Film spart nicht gerade mit Klischees. Bei jeder Figur weiß man schnell um welche Art von Charakter es sich handelt und was sie auszeichnet. Das ist aber gar nicht verkehrt, denn die stark an Klischees angelehnte Charakterzeichnung sorgt gerade im gesellschaftskritischen Kontext für allgemeingültige Charaktere und schafft so ein gutes Sinnbild für die Gesellschaft. Auch emotional funktioniert der Film, denn die zahlreichen Einzelschicksale nehmen den Zuschauer trotz schwacher emotionaler Bindung durchaus mit. Stellenweise suhlt sich der Film fast im Elend seiner Charaktere und überträgt dabei ein relativ intensives Unglücksgefühl auf den Betrachter. Doch genau das ist auch das größte Problem des Films, denn er macht es sich damit einfach viel zu leicht. Stellenweise verkommt „Die süße Gier“ dadurch zu einer eindimensionalen Präsentation von menschlichem Elend ohne wirklich Substanz zu besitzen. Die gesellschaftskritischen Ansätze treten in den Hintergrund und werden mit Leid überspielt. Im Gegensatz dazu steht das Ende, das viel zu abrupt die Richtung wechselt und sich auf einmal auf Kuschelkurs mit den Charakteren befindet. Alles geht übertrieben glimpflich aus und wendet sich zum oberflächlich besten Ausgang für seine Charaktere, was man beinahe als Entschuldigung für die vorausgegangenen Qualen sehen kann.


Als Episodenfilm funktioniert „Die süße Gier“ dabei sehr gut, so sind nämlich die einzelnen Geschichten gekonnt miteinander verwoben und decken mit zunehmender Laufzeit stets interessante Aspekte über die vorigen Geschehnisse auf. Der Film ist zwar nie wirklich spannend (und will es auch gar nicht sein), doch durch das stetige Aufdecken neuer Puzzlestücke für das Gesamtbild hält er den Zuschauer bei der Stange. Mit dem Konzept wäre aber durchaus eine bessere Umsetzung möglich gewesen, denn der Regisseur macht es sich stellenweise viel zu leicht und ruht sich auf dem Elend seiner Charaktere aus. Dennoch ein gelungenes Werk.


6 von 10 Bädern im Selbstmitleid

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