Review: DER TOD WEINT ROTE TRÄNEN - Eine Hommage im wilden Bilderrausch




Fakten:
Der Tod weint rote Tränen (L'étrange couleur des larmes de ton corps/The Strange Color of Your Body’s Tears)
BE, FR, LU, 2013. Regie & Buch: Hélène Cattet, Bruno Forzani. Mit: Klaus Tange, Ursula Bedena, Joe Koener, Birgit Yew, Hans De Munter, Anna D’Annunzio, Jean-Michel Vovk, Manon Beuchot, Romain Roll u.a. Länge: 97 Minuten. FSK: Freigegeben ab 18 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Dan kommt gerade von einer Geschäftsreise wieder und muss feststellen, dass seine Frau spurlos verschwunden ist. Obwohl die Wohnung von innen verriegelt war. Die Polizei wird eingeschaltet, doch der Kommissar verdächtigt ihn selbst etwas mit dem Verschwinden zu tun zu haben. Bei der Suche nach seiner Frau stößt Dan auf einige merkwürdige Bewohner des Hauses, ihre Geheimnisse und droht bald selbst, dem Wahnsinn zu verfallen.





Meinung:
Das Ehepaar Hélène Cattet und Bruno Forzani zollen nach „Amer“ dem italienischen Giallo- und Horrorkino erneut ihren Respekt. Auch wenn sich „Der Tod weint rote Tränen“ nicht wirklich als Giallo bezeichnen lässt, mit dessen Motiven und Versatzstücken hantiert das Pärchen ausgiebig, eigentlich schon exzessiv. Der gesamte Fokus liegt auf der Inszenierung, eine Geschichte erzählt der Film dabei maximal ansatzweise.


Auf Fingerabdrücke braucht man nicht hoffen.
Genre-Größen wie Mario Bava und Dario Argento standen unübersehbar Pate für diesen ausschweifenden Bilder-, Farben- und Beleuchtungsrausch, gleichzeitig aber wohl auch das irritierende Albtraumkino eines David Lynch. Den Giallo-typischen Sleaze lassen Cattet & Forzani praktisch gänzlich außen vor, gehen dafür lieber eine Liaison mit abstraktem, verkopftem Arthouse-Kino ein. „Der Tod weint rote Tränen“ versteht sich zwar als Hommage an den gern schmuddeligen Genrefilm, im gleichen Maß jedoch eindeutig als „echte“ Kunst. Hier ist wirklich jedes Frame bis ins kleinste Detail durchgestylt. Während sich Argento und Co meist nur auf das Wesentliche in ihren Filmen konzentrierten und das entsprechend umsetzten, gibt es hier keine ästhetischen Verschnaufpausen. Der Zuschauer wird pausenlos mit optischen und akustischen Reizen bombardiert, zum Teil atemberaubend, (alb)traumhaft schön. Das Apartmenthaus gleicht einem Labyrinth, aus dem es kein Entkommen gibt. Hinter den Türen, zwischen den Wänden verbergen sich Geheimnisse, Obsessionen, Lügen und natürlich der Tod. Was das Regieduo hier für einen expressionistischen, psychedelischen Strudel auf die Netzhaut loslässt, ist aller Ehren wert. Seine Vorbilder und Inspirationsquellen werden unmissverständlich zitiert, da mischt sich „Suspiria“ mit „Lost Highway“ und in seinen besten Momente möchte man fast glauben, dass sich „Der Tod weint rote Tränen“ ihnen auch qualitativ zumindest etwas annähern könnte. Letztlich bleibt das selbstverständlich ein Trugschluss, denn mehr als ein hübscher Kniefall ist dieser bald einem Experiment nahkommender Film nicht geworden.


Etwas windig, aber sie hat ja ihre Haarnadel dabei.
Sicher, wegen einer ausgeklügelten Geschichte hat man auch die Vorbilder nicht unbedingt geschaut, die war immer nur Mittel zum Zweck. Da könnte man es fast konsequent nennen, dass man hier darauf praktisch komplett verzichtet. Das Ganze wird dadurch allerdings auf die Dauer etwas anstrengend, mit zunehmender Zeit ziellos. Brocken eines Plots existieren natürlich, speziell zu Beginn kann dadurch auch Spannung kreiert werden, doch mehr und mehr wird deutlich, dass alle Ansätze scheinbar gewollt ins Nichts verlaufen. Interpretieren lässt sich natürlich alles, nur selbst das scheint nicht mal das Anliegen von Cattet & Forzani zu sein. Sie wollen einfach nur eine Bühne schaffen für ihr berauschendes Kaleidoskop quer durch den Genre-Garten. Das lässt ab und an beeindruckt mit der Zunge schnalzen, wird an einigen Stellen sogar schaurig und verstörend, ist unterm Strich allerdings kaum mehr als eine verliebte Spielerei. Für einen rundum gelungenen Film ist das Gesamte dann doch zu dünn, zu rudimentär, schlicht auf sein Erlebnis ausgelegt, was langfristig sogar leicht ermüdet. Nach einer Stunde Dauerfeuer wird man eben nicht mehr so geflasht und vermisst doch noch dieses Mindestmaß an sinniger Narration oder zumindest diesen kleinen Strohhalm, um vielleicht einen Hintergedanken in diesem prächtig inszenierten Hommage-Eintopf zu vermuten.


„Der Tod weint rote Tränen“ ist ganz sicher kein Film für die breite Masse, eher von Fans für Fans. Die werden partiell sicher begeistert von dieser inszenatorischen Klasse, sollten sich dabei jedoch im Klaren sein, dass dieses Werk als eigenständiger Horrorfilm (oder gar Giallo) nicht wirklich funktioniert. Faszinierend und handwerklich grandios ist er ohne Frage.

6,5 von 10 Einstichen in Vaginaform

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen