Review: TO KILL A MAN - RACHE IST BITTER - Die nüchterner Studie eines verzweifelten Mannes



Fakten:
To Kill a Man – Rache ist bitter (Matar a un hombre)
CL, FR, 2014. Regie & Buch: Alejandro Fernández Almendras. Mit: Daniel Candia, Alejandra Yañez, Daniel Antivilo, Ariel Mateluna, Paula Leoncini u.a. Länge. 82 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Jorge, ein introvertierter Familienvater, wird eines Abends direkt vor der Haustür ausgeraubt. Kalule, ein stadtbekannter Schläger aus der Nachbarschaft, nimmt ihm nicht nur sein Geld, sondern aus reiner Boshaftigkeit noch das Blutzuckermessgerät des Diabetikers ab. Jorges’s Sohn will dies nicht so hinnehmen und sucht den Täter zu Hause auf. Kalule verletzt den Jungen durch einen Bauchschuss schwer und wird daraufhin festgenommen. Die Haftstrafe fällt mit nur 15 Monaten sehr gering aus. Nach seiner Entlassung terrorisieren Kalule und seine Gang die Familie, ihr Gesuch um Hilfe seitens der Behörden stößt auf taube Ohren. Jorge sieht sich gezwungen, ganz gegen seine Natur selbst zurückzuschlagen.








Meinung:
Rache, speziell Selbstjustiz, ist auf filmischen Terrain immer ein gerne genutzte Grundlage, gleichzeitig auch extrem dünnes Eis, in das viele Regisseure ungeschickt einbrechen.


Jorge verzweifelt im Angesicht der Bedrohung seiner Familie...
Alejandro Fernández Almendras gleitet sehr behutsam über den brüchigen Untergrund, macht es dem Zuschauer mit seinem extrem zurückgenommenen, ziemlich sperrigen Rachedrama jedoch nicht unbedingt einfach. Bewusst vermeidet er eine echte Bindung zu den Figuren, macht uns zu ganz neutralen Beobachtern und will überhaupt nicht erst in Versuchung geraten, dass Thema Selbstjustiz  in der geringsten Form reißerisch, nur im Ansatz glorifizierend oder sogar unterhaltsam auszuschlachten. Er entwirft eine nüchterne, unspektakuläre Studie über einen verzweifelten Mann, der in letzter Konsequenz ganz einfach keine andere Möglichkeit mehr sieht. Auch die anderen Wange hinhalten hat ausgedient, von der Justiz im Stich gelassen wirft er all seine moralischen Prinzipien über Bord und greift nach dem letzten Strohhalm…in diesem Fall ein Gewehr. Trotz der extrem distanzierten, oft kühlen Betrachtung der Ereignisse, erscheint das Verhalten des Protagonisten auf erschreckend nachvollziehbare Art „logisch“ und vermeidet dennoch, einer (wenn auch in vergleichbaren Werken nicht immer absichtlichen) Rechtfertigung von Selbstjustiz gleichzukommen. Dies war mit Sicherheit das Anliegen von Almendras und nur das betrachtet, gelingt es ihm fast schon vorbildlich.


...und weiß nur noch einen Ausweg.
In diesem Vorhaben liegt - das ist die Kehrseite der Medaille – dann auch ein Problem des Films. Um bloß nicht – und wenn es nur um Bruchteile geht – den Zuschauer in irgendeiner Form zu manipulieren oder „falsche“ Gefühle zu wecken, verzichtet Almendras soweit es geht auf ziemlich jeden emotionalen Input. Seine Figuren werden nur geringfügig bis gar nicht charakterisiert, nur das Innenleben von Vater Jorge wird punktuell spürbar gemacht. Dadurch erschwert und blockiert Almendras fast schon eine größer Anteilhabe an dem Geschehen. Es ist halt etwas zu viel. Oder zu wenig. Zu viel von wenig. Gleichzeitig ist die Geschichte auch so schlicht und auf ihre reine Aussage reduziert, damit gewinnt man nicht unbedingt die Gunst des Publikums. Geschuldet ist das wohl dem unbedingten Willen der Authentizität, schließlich handelt es sich um die Verfilmung realer Ereignisse. Dementsprechend ist das nicht unbedingt negativ auszulegen, in der Realität verlaufen die Dinge nun mal oft recht simpel. Ist eben die Frage, wie weit ich damit gehen will. Die hat Almendras für sich wohl klar beantwortet. Mutig, selbstbewusst, nur allein deshalb noch nicht außergewöhnlich. Was allerdings sehr bemerkenswert ist, sein handwerkliches Können. Ein nur sehr dezenter, dann dafür gut getimter und stimmungsvoller Musikeinsatz, einige faszinierend-elegische Bildkompositionen und hervorragende Plansequenzen, die in ihrer Geduld und Ruhe teils wirklich impulsive Spannung erzeugen.


„To Kill a Man“ ist leicht anstrengendes, ambitioniertes Arthouse-Revenge-Kino, das sich gezielt gegen die breite Masse stellt und dort wohl auch wenig Anklang finden wird. Ultra-Kunst oder hochklassiges Anspruchskino ist es deshalb trotzdem nicht, dennoch ein interessanter Stück Film eines offenbar sehr talentierten Mannes.  

6 von 10 Autoalarmen

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