Review: DIE BRUT - Ein Herz für Kinder




Fakten:
Die Brut (The Brood)
CA, USA, 1979. Regie & Buch: David Cronenberg. Mit: Oliver Reed, Samantha Eggar, Art Hindle, Cindy Hinds, Susan Hogan, Henry Beckman, Nuala Fitzgerald, Gary McKeehan, Michael Magee u.a. Länge: 88 Minuten. FSK: Keine Freigabe. Auf DVD erhältlich.


Story:
Frank Carveth teilt sich das Sorgerecht für die kleine Candy mit seiner baldigen Ex-Frau Nora, obwohl sich diese in stationärer, psychologischer Behandlung in „Somafree Institute“ von Psychiater Dr. Hal Reglan befindet. Frank bemerkt an seiner Tochter Spuren physischer Misshandlungen und ahnt schon, dass hinter den Mauern der Anstalt nicht alles mit rechten Dingen zugeht. In der Folgezeit kommt es zu ungeklärten Morden, nur als Frank endlich mit der Wahrheit konfrontiert wird, ist es fast schon zu spät…


                                                                                           




Meinung:
„Das sind böse Kinder. Ganz böse Kinder…“

Das ist David Cronenberg, ein ganz böser David Cronenberg, der unnachahmlich auf dem schmalen Drahtseil zwischen B-Horror-Trash und psychologisch hintergründiger Aussage tanzt und zwischendurch sogar Purzelbäume schlägt, um hinterher leicht und locker eine erstklassige Landung hinzulegen, für die man gerne mit den Höchstbewertungen wedelt.


Merkwürdige Gelüste in der Paarungszeit, nicht ungewöhnlich.
Der Konzeptregisseur Cronenberg lässt anfänglich nicht genau erkennen, wo denn genau die Brücke zwischen „Shivers“, „Rabid“ und eben „Die Brut“ geschlagen wird, am Ende ist sie überdeutlich. Noch viel deutlicher verarbeitet Cronenberg hier eigene Erfahrungen, teilt kräftig aus, bezogen auf seinen zur der Zeit stattfindenden Sorgerechtsstreit und etabliert deshalb natürlich die Vaterfigur als einsamen Kämpfer gegen das fehlgeleitete Muttertier, welches unter der Fuchtel einer übergeordneten Macht (= Therapeuten, der Anfang vom Ende vieler Beziehungen) eine dämonische Brut gebärt. Erst spät lässt Cronenberg seinen klassischen Body-Horror aus dem Gebärmutter-Schleimbeutel, inszeniert seinen Film vorher leicht schleppend und gewollt mysteriös, hält dadurch die Spannung konstant hoch, trotz nicht immer packenden Sequenzen. Im Kontrast dazu funktionieren die bewusst gesetzten Highlights wunderbar. Küchenschlacht nach Großmutterart trifft auf Auswüchse von „Wenn die Gondeln Trauer tragen“, „Ein Kind zu töten“ und Beziehungsdrama. Eine ungewöhnliche Mischung, die sich erstaunlich stimmig zu einem typischen Cronenberg entwickelt, dessen Finale allein das Ansehen wert ist. Da tritt dann alles zu Tage, was er zuvor schon mit seinen Filmen bewirkte und nun gewohnt souverän ausbaut. Diesmal nur mit einer weit weniger emanzipatorischen Grundhaltung. Das Böse schlummert nicht nur im weiblichen Körper und sticht mutig hervor, es hat dort seine Brutstätte gefunden, ist der Ursprung allen Übels. Fast hilflos steht dem ein alleinerziehender Vater gegenüber. Geschlechterkampf aus unterdrückt-gefühlter Männersicht. Auch mal interessant.


Die werden schon noch Freunde...
„Die Bienenkönigin“ wird als demonstrativ-willenloses, dennoch aufgrund ihrer Natur als privilegiertes Geschöpf präsentiert, das die dominierende Macht über Leben und Tod besitzt. Natürlich fremdgesteuert, gleichwohl  als Familien-zerstörende und gleichzeitig das Grauen hervorbringende Basis in Szene gesetzt, da bezieht Cronenberg unverkennbar Stellung. Kann er ruhig machen, dadurch gewinnt sein Film noch mehr an provokativem Subtext und darf gegen Ende so vom Stapel lassen, das man über diverse Leerläufe getrost hinwegsehen kann. Lange lässt sein Film (scheinbar) eine ganz klare Richtung vermissen, findet sie letztlich in dem alles vereinenden, verletztem und wütendem Finale, wenn das Böse aus dem externen Uterus schlüpft und als fast gesichtslose Brut das einzig Unschuldige angreift, was aus einer in Trümmern liegenden Beziehung noch übrig geblieben ist. „Die Brut“ mag auf den ersten Blick leicht trashig wirken, ist dabei wie alle Cronenbergs deutlich überlegter und vielschichtiger, als das ihm dieses Attribut gerecht werden würde.


Bevor David Cronenberg vom interessanten B-Regisseur zum endgültigen Meister aufstieg, schuf er mit solchen Filmen die Grundlage. Clever vorgetragenes, doppelbödiges Genrekino mit Gedächtnisankern. Seine Strahlkraft war schon erkennbar, als er noch keine Köpfe platzen ließ und das Insekt im Manne weckte.

7 von 10 überflüssigen Nabelschnüren

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