Review: MISSION: IMPOSSIBLE – Brian De Palma definiert den Agenten-Thriller neu



Fakten:
Mission: Impossible
USA. 1996. Regie: Brian De Palma.
Buch: David Koepp, Robert Towne, Steven Zaillian. Mit: Tom Cruise, Ving Rhames, Emmanuelle Béart, Jean Reno, Jon Voight, Vanessa Redgrave, Henry Czerny, Emilio Estevez, Kristin Scott Thomas u.a. Länge: 105 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Die CIA hat ein Problem: Ein Verräter bietet einen brisante Liste zum Verkauf an. Wer auch immer dieser Liste erwirbt, besitzt dann Informationen, die dutzende Agentenleben und noch mehr Missionen gefährden. Das Team rund um Jim Phelps und Ethan Hunt sollen in Prag die Liste wieder in ihren Besitz bringen, doch der Einsatz läuft schief. Nur Ethan überlebt und gilt nun beim CIA als Maulwurf. Nun muss Ethan eigenhändig versuchen alles wieder ins Reine zu bringen.





Meinung:
Wir schreiben das Jahr 1996: Brian De Palma hat Höhen genossen, hat Tiefen überwunden. Man wusste nie so recht, woran man bei diesem Regisseur letzten Endes war, auch wenn er vor dem Millennium nur mit „Fegefeuer der Eitelkeiten“ wirklich daneben gegriffen hat. Den Fehler finden wir eher beim Publikum, dass sich nicht immer mit De Palmas unkonventioneller Art anfreunden konnte und ihn auf Oberflächlichkeiten herunterbrechen versuchte: Ein geschmackloser Onkel, der sich an seinem ausgeprägten Gewalt-Fetisch labt und nebenbei noch mit einem Faible für nackte Haut dasteht. Doch 1996 war ein Jahr im Schaffen De Palmas, in dem er allen Erwartungen nicht nur gerecht wurde, nein, er hat sie sogar mühelos übertrumpft: „Mission: Impossible“ kam in Kinos, die Adaption der 70er Jahre Fernsehserie „Kobra, übernehmen Sie!“, mauserte sich zum kommerziellen Kracher und definierte durch eine treffsichere Modernisierung gleichzeitig noch das staubige Agenten-Genre bis auf Weiteres neu.


Hier googelt Tom gerade nach unserem Blog, wirklich!
„Mission: Impossible“ verbindet die formale Stärke De Palmas mit einer ausgeklügelten Story, die, ganz ohne verschiedene Bewusstseinsebenen, zum intelligenten Schlagabtausch des internationalen Casts führt. Stephen H. Burums Kameraarbeit ist schlichtweg famos: Ob es die Aquarium-Szene ist, der ikonische Einbruch in die Stahlkammer oder das Finale auf dem Hochgeschwindkeitszug: Alles schreit nach purer Kinetik, pures Bewegungskino, dynamisch ineinander montiert, aber so pointiert illustriert, dass sich die Bilder niemals um ihre Übersicht sorgen müssen. Dass Titel-Theme zur Serie „Kobra, übernehmen Sie!“ von Lalo Schifrins wurde beibehalten, allerdings in einer etwas abgeänderten Form neuabgemischt – und damit eben auch legendär gemacht. Wenn sich dann noch Danny Elfman, einer der besten Komponisten unserer Zeit, um die weitere Untermalung kümmert, dann liegt die Vermutung, dass wir es hier nicht nur aus visueller, sondern auch aus auditiver Sicht mit einem Meisterwerk zu tun bekommen, gewiss nicht fern. In den 1990er Jahren zählt „Mission: Impossible“ innerhalb dieser beiden Aspekte sicher zu Creme de la Creme.


"Lösch das YouTube-Video!"
Mit seinen Auftritten in „Geboren am 4. Juli“ und „Top Gun“ hat sich Tom Cruise einen Ruf in der Filmwelt gemacht, der ihn gleichwohl als talentierten Schauspieler postulierte, aber auch als Frauenschwarm, der das weibliche Geschlecht aufgrund seines Aussehens in die Kinos locken könnte. Mit „Mission: Impossible“ aber gelang ihm der endgültige Durchbruch und Cruise, hier noch Lichtjahre entfernt von seinen exponierten Manierismus, avancierte zum Superstar. Sein Charakter Ethan Hunt, der nicht mehr auf der zugrundeliegenden Serie basiert, sondern der Feder David Koepps und Co. entsprungen ist, weiß durch eine interessante Kontrastierung zu gefallen: Äußerlich wirkt dieser Ethan Hunt unschuldig und unverbraucht, doch gerade dieses jugendliche Verve in seinem Spiel verlangt ihm eine Reife ab, die es ihm erst ermöglicht, den Film als Hauptdarsteller zu stemmen, anstatt ihn mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen den Bach runtergehen zu lassen. Neben Cruise darf man sich an Jon Voight, Kristin Scott Thomas, Jean, Emilio Estevez und Ving Rahmes erfreuen, deren Auftritte zwar im Vergleich zu Cruise deutlich beschränkt wirken, aber durchaus Spaß bereiten – Anders als Emmanuelle Béart, die hier furchtbar überfordert wirkt.


Typisch Geheimagent, immer am hetzen, immer in Eile
Wer 'Agent' sagt, der muss auch 'James Bond' sagen - Tomas Alfredson wunderbare Genre-Entmystifizierung 
Dame, König, As, Spion“ hat uns inzwischen eines Besseren gelehrt, doch Stand 1996 ließen sich die Dinge noch etwas anders verlauten. In jedem Jahrzehnt seines ersten Auftrittes hielt James Bond das Zepter des Agenten-Sujets fest in den Händen, bis Ethan Hunt kam und endlich wieder frischen Wind mitbrachte: Ein gewitzter Knabe, kokett, antizipierend, aber auch mit Schwächen, dem Verzweiflung genauso gut steht wie der aufbrausende Übermut. Inmitten des ersten Einsatzes, in dem Hunt es mit einem Duplikat der ominösen NOC-Liste zu tun bekommt, in der alle Decknamen osteuropäischer Agenten eingetragen sind, um durch diese an den Maulwurf in den eigenen Reihen heranzukommen, macht „Mission: Impossible“ bereits augenfällig seine Prämisse deutlich: Nichts ist so, wie es auf den ersten Blick scheint. Da wären wir bei der symptomatischen Marschroute De Palmas, allerdings ist „Mission: Impossible“ sich der Realität vollkommen im Klaren: Der Zuschauer soll etwas herausgefordert, aber nicht frech für blöd verkauft werden. Der fintenreiche Zyniker De Palma fungiert hier nach den Regeln des Studios und lässt den eigenen Wahnsinn in den heimischen vier Wänden.


Vielmehr ist hier ein Kaugummi nicht einfach nur ein Kaugummi, sondern entpuppt sich als kleiner Sprengkörper; eine Brille dient nicht nur zur Verbesserung der Sicht, sondern besitzt eine integrierte Kamera, die Zielpersonen observiert und feinsäuberlich in einer Datenbank abspeichert. „Mission: Impossible“ ist ein Film, in dem eine Wendung die nächste jagt und spinnt daraus ein Netz aus Lügen, Verrat und Intrigen, in dem man keinem Menschen vertrauen kann – vielleicht sogar nicht einmal sich selbst. In diesem Netz müssen sich Protagonisten wie Zuschauer zurecht finden, denn wenn „Mission: Impossible“ einmal davon braust, wird es nahezu unmöglich, den dramaturgischen Faden wieder aufzunehmen, eben weil das Drehbuch so nuanciert und durchdacht daherkommt, sich aber nie mit pseudo-komplexen Orden schmücken möchte. Obgleich „Mission: Impossible“ zuweilen verstrickt wirkt, bleibt er geerdet, spannend und unterhaltsam, weniger auf den großen Effekt ausgelegt, als auf eine ausgetüftelte Story, die Spannungsklimaxen bewusst positioniert und den Zuschauer nicht übersättigen möchte. Zu Recht ein Klassiker, der heute sogar mit seinem Retro-Charme einen Hauch besser gefällt.


7,5 von 10 halsbrecherischen Einbrüchen


von souli

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