Review: HOW I LIVE NOW – Wenn Liebe durch den dritten Weltkrieg führt



Fakten:
How I Live Now
UK. 2013.
Regie: Kevin Macdonald. Buch: Jeremy Brock, Tony Grisoni, Jack Thorne, Meg Rosoff (Vorlage). Mit: Saoirse Ronan, Tom Holland, George MacKay, Harley Bird, Corey Johnson, Anna Chancellor, Darren Morfitt, Stella Gonet, Natasha Jonas, Mark Stanley, Paul Ronan u.a. Länge: 101 Minute. FSK: freigegebe ab 16 Jahren. Ab 27. Mai 2014 auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Die junge Daisy kommt von New York auf die abgelegene Farm ihrer englischen Verwandtschaft. Dort verliebt sie sich ausgerechnet in ihren Cousin Edmund. Doch die junge Liebe wird schnell auf eine harte Probe gestellt, als London von einer atomaren Explosion zerstört wird und das Land in einen Krieg stürzt.





Meinung:
Momentan dürfen sich die oberen Regionen der deutschen Kinocharts noch über die Anwesenheit vom 215 Millionen Dollar Projekt „Godzilla“ erfreuen. In ihrem dreißigsten Auftritt erlebt die japanische Riesenechse gerade wieder einen gewaltigen Buzz und genießt die volle Aufmerksamkeit der Filmwelt. Zwischen dem ohrenbetäubenden Lärm inmitten der Hochhausschluchten, den aufsteigenden Staubwolken und der Massenpanik, verursacht durch überwältigend animiertes Monster-Gekloppe, versteckt sich ein ernsthafter Subtext, der hinter all dem mal mehr, mal weniger gesunden Fanboytum heutzutage gerne vergessen wird: Godzilla selbst fungiert als Allegorie auf die Angst vor einem neuen Atomkrieg, er ist ein auf das nationale Traumata grundiertes Mahnmal, ein Appell, der der humanen Hybris Einhalt zu gewähren versucht. Wie präsent die Befürchtungen vor einem neuen Atomkrieg - und damit eben auch vor einem Dritten Weltkrieg - in unseren Köpfen verankert sind, haben die Nachrichten in den letzten Monaten bewiesen, in denen Verschwörungstheoretiker, Politiker und Analysten die Wahrscheinlichkeit eines Dritten Weltkrieges abzuwägen versuchten.


Ist das jetzt New York oder England?
Kevin Macdonald, der durch „Der letzte König von Schottland“ und „Senna“ zu Recht einiges an Lob einstecken durfte, lässt den Extremfall nun in seiner gleichnamigen Roman-Adaption „How I Live Now“ von Meg Rosaff eintreten: Ein Atomangriff auf England, bei dem London in Schutt und Asche gelegt wird, stürzt die Welt ins Chaos und das schlimmste Besorgnis scheint sich zu bewahrheiten. Wer nun beinharte, schnell geschnittene und aus unmöglichen Winkeln gefilmte Kriegs-Action erwartet, der ist mit „How I Live Now“ an der falschen Adresse angelangt. Das Schreckensszenario breitet sich zwar unentwegt über das Geschehen, der Krieg als Kampfhandlung jedoch wird klar aus dem Fokus gerückt. „How I Live Now“ bleibt so in seiner Bedrohung zwar immer greifbar und lässt die dystopische Stimmung nicht abklingen, versetzt die definierten Ausmaße der Katastrophe aber in einen verschwommenen Raum, um den subjektiven Blick aus der jugendlichen respektive kindlichen Perspektive durchweg stringent zu wahren.


Krieg ist soooooooo langweilig
Die Hybridisierung aus Coming-Of-Age, Teenie-Romanze und eben jenem Kriegs-Szenario bringt mehr Nachteile als Vorteile mit sich: Dass die kryptische Formulierung der Geschehnisse gefällt, lässt aber gleichwohl das Defizit aufkommen, dass Hauptprotagonistin Daisy (Saoirse Ronan, „Byzantium“, 
Grand Budapest Hotel") ihren forcierten Reifeprozess ganz auf ein offenes Plateau romantischer Verklärung stützt. Ihr katalytischer Ansporn ist ihre Liebe zu Eddie (George MacKay, „Unbeugsam“), die sie dazu bewegt, von Grauen und finsteren Gestalten durchströmtes Terrain zusammen mit Piper (Harley Bird) zu durchqueren, für die sie gleichwohl Verantwortung übernehmen muss. Dumm nur, dass die Gefühle zwischen Daisy und Eddie zu keiner Zeit echt und frei von jeder verstellten Zuneigung wirken. Beide dienen einzig einer emotionalen Projektionsfläche des Zuschauers, der sich selbst im schmachtenden Blinzeln, verheulten Augen und gespitzten Lippen reflektieren soll. Da hilft es auch nicht, dass Saoirse Ronan mal wieder mit einer angenehm authentischen Performance aufwarten kann, wenn die Konstellation, in der sie zu tiefen Gefühlen aufrufen soll, durchweg fremd bleibt.


Obwohl man doch inzwischen weiß, dass Saoirse Ronan durchaus in der Lage ist, ein nuanciertes Psychogramm auszuspielen, werden ihr immer wieder plakativ Stimmen in den Kopf gelegt, die die Unsicherheit der zu Anfang noch passiv-aggressiv agierenden Neurotikerin skizzieren sollen und doch vollkommen unnötig bleiben, weil diese psychologischen Anhängsel letztlich vollkommen ins Leere verlaufen. Viel besser gefällt da die Härte, die trotz an der an „Twilight“ gemahnenden Lovestory immer wieder mit der Ikonografie anderer Kriege synchronisiert wird und nicht vor expliziten Darstellungen zurückschreckt: Auf grauem Beton türmen sich die Leichenberge junger Männer, an dessen langsam verwesendem Fleisch sich Füchse zehren und eine Gruppe Frauen wird unter markerschütternden Schreien im Mondlicht vergewaltigt. Am Ende aber greifen die beiden Segmente nicht ineinander, sie stoßen sich vielmehr ab, der Schrecken hier, die Schmonzette da, um durch allegorische Landschaftspanoramen den Pfad der Hoffnung zu beschreiten. Wer das nicht versteht, bekommt noch einmal Hilfe von einem lächerlichen Voice-Over.


4,5 von 10 roten Rosen


von souli

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