Review: EXPLOSION DES SCHWEIGENS - Verkanntes Meisterwerk




Fakten:
Explosion des Schweigens (Blast of Silence)
USA, 1961. Regie: Allen Baron. Buch: Allen Baron, Waldo Salt. Mit: Allen Baron, Molly McCarthy, Larry Tucker, Peter Clune, Danny Meehan, Howard Mann, Charles Creasap, Bill DePrato, Milda Memenas u.a. Länge: 82 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD erhältlich.


Story:
Auftragskiller Franky Bono kommt in das weihnachtliche New York, um den Syndikats-Boss Trojano zu erledigen. Wie immer bereitet sich der eiskalte Einzelgänger besonnen und akribisch vor. Während er auf eine Waffe für den Auftrag wartet, trifft er zufällig auf einen alten Freund aus der Zeit im Waisenhaus, der ihn zu einer Party einlädt. Dort begegnet er Lori, seiner Jugendliebe. Der einsame Frank beginnt unverhofft menschliche Gefühle zu entwickeln. Etwas, was er bei seiner nicht gerade humanen und äußerst rationalen Arbeit gar nicht gebrauchen kann. Seine Konzentration leidet und ein explosiver Ausbruch aus seiner sonst vorherrschenden Souveränität macht ihn bald selbst zur Zielscheibe.




Meinung:
„Seltsam, welche Tageszeit es auch sein mag, man kommt immer im Dunkeln nach Manhattan.“


"Blast of Silence, ein Flop. What?"
Was hätte aus Allen Baron werden können, wenn sein kleines Meisterwerk „Blast of Silence“ seinerzeit nicht so unterschätzt und verkannt worden wäre? Kritiker und Publikum zeigten seinem Werk einst die kalte Schulter, was seinen zweiten Kinofilm bereits zu seinem letzten machen sollte. Fortan verdiente der Mann sein Geld als Regisseur von TV-Episoden (u.a. „The Brady Bunch“, „Charlie’s Angels“, „Love Boat“, was ein bitteres Ende!), was angesichts dieser B-Movie-Perle wie blanker Hohn erscheint. Sein – so muss man es leider nennen – „Vermächtnis“ ist vielleicht zu einem ungünstigen Zeitpunkt erschienen. 1961 war der Höhepunkt des Film Noir schon überschritten, die Blütezeit des europäischen Gangsterfilms – geprägt durch Männer wie Henri Verneuil und Jean-Pierre Melville – noch nicht erreicht, stilistisch reiht sich „Blast of Silence“ exakt dazwischen ein und muss sich hinter niemanden verstecken.


„Aus dem Dunkel kamst du, aus dem Nichts. Unter Schmerzen wurdest du geboren. …Mit Hass und Wut in dir…“


Da mag man jeden Kritiker dieser Zeit erwürgen.
Baron selbst spielt Auftragskiller Frank Bono, eine geschundene Seele, dessen gesamter tragischer Lebenslauf uns gekonnt und in Windeseile nahe gebracht wird, praktisch beginnend mit seiner Geburt. Allein die Eröffnungsszene ist auf seine Art so einfach wie genial. Ein Zug fährt auf das Ende eines Tunnels zu, gleichzeitig hören wir aus dem Off einen von Bono gesprochenen „Audiokommentar“ seines Eintritts in eine Welt, die ihn nicht gerade mit offenen Armen endfangen hat. Das (visuell clever eingefangene) Wunder der Geburt, in Franks speziellen Fall eher eine Bürde. Ein ungeliebter Bastard, dessen Herz zu Stein erstarrt ist, seine Existenz folgerichtig mit dem Auslöschen anderer finanziert. Leben heißt nur überleben, nicht erleben, funktionieren, eine durch Tristes und kühle Präzision geölte Maschine, die ausgerechnet zur „schönsten Zeit des Jahres“ - Weihnachten -  einen Job zu erledigen hat, der nicht wie jeder andere sein wird. Es wird sein letzter sein. So oder so.


„Später lernst du deine Schreie zu unterdrücken, deinen Hass und deine Wut auf andere Art abzureagieren“.


Frank versteht einfach keinen Spaß.
Denn nun folgt das Weihnachtwunder der schwarzen Serie: Ein Monster lernt, was es heißt Mensch zu sein, tauscht perfekten Instinkt und durchdachte Überlegung gegen Emotionen, stellt sich seinen inneren Dämonen und darf am Ende trotzdem nicht die Geschenke auspacken. Es ist mehr als erstaunlich, wie Allen Baron in nur knapp 80 Minuten so eine intensive, kluge Charakterstudie entwickeln kann, ohne dass es nur eine Spur zu überdreht wirkt. Das ist nicht die alberne Saulus zum Paulus Story, sein düsterer Antiheld bekommt nur minimale Kratzer in seinem stahlharten Lack und letztlich bleibt es ungeklärt, ob sie ihm die Grube graben oder nur die letzten Zuckungen eines Menschen sind, der von Anfang an sich niemals wohl auf diesem fremden Planeten gefühlt hat, der ihn niemals haben wollte. Baron bleibt in seiner Charakterzeichnung stets glaubwürdig, nachvollziehbar und verliert sich niemals in der leichten Falle, groben und für den Flair des Films sogar vernichtenden Unsinn aufzutischen. Den gesamten menschlichen Subtext könnte man sogar komplett ausblenden, trotzdem wäre „Blast of Silence“ noch mehr als bemerkenswert.


Das Glücksbärchi hat seinen Zweck kaum erfüllt.
Schon handwerklich und atmosphärisch ist das erste Sahne. Auf den Punkt inszeniert, ohne streckenden Firlefanz, mit einem ausdrucksstarken Hauptdarsteller (nochmal: ALLEN BARON!), einem genialen, pessimistisch-treibenden Jazz-Score unterlegt, mit wundervollen Bildern, Einstellungen und Beleuchtungsideen von Kameramann Merrill Brody veredelt, das ist großes, tiefschwarzes Kino aus einer Ära, die eigentlich beendet war. Kaum zu glauben, dass dieses Spätwerk so unterging. Sicherlich erkennt man die Zugehörigkeit zur B-Klasse, aber sie schadet nicht, im Gegenteil. Sie adelt die zu bestaunende Leistung, die schnörkellose Perfektion, die hier an den Tag gelegt wird. Das ist Herzblutkino, welches mit minimalen Mitteln im Konzert der Großen mitspielt und zwar spielend.


An der Stelle noch mal ein verfrühter Nachruf auf Allen Baron: Du hattest nie eine Chance, aber du hast sie versucht zu nutzen. Wie Frank Bono. Ihr habt sie genutzt, vielleicht merkt das mal wer.

8 von 10 schwarzen Weihnachtswundern.


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