Review: GANZ WEIT HINTEN – Der Name ist hier in allen Belangen Programm



Fakten:
Ganz weit hinten (The Way Way Back)
USA. 2013. Regie und Buch: Nat Faxon, Jim Rash.
Mit: Liam James, Sam Rockwell, Steve Carrell, Toni Collette, Allison Janney, Anna Sophia Robb, Amanda Peet, Maya Rudolph, Rob Corddry, Zoe Levin, Jim Rash u.a. Länge: 103 Minuten. FSK: freigegeben ohne Altersbeschränkung.Ab 4. April 2014 auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Der 14-jährige Duncan muss den Sommer bei Trent, dem neuen Freund seiner Mutter verbringen, damit die beide sich besser kennen lernen. Für Duncan kein Grund um sich zu freuen, denn Mutters Neuer ist alles andere als eine „Idealbesetzung“. Etwas Gutes hat dieser Sommer aber an sich, denn Trent wohnt nah an der Küste
und dort findet Duncan nicht nur nette Mädchen, sondern auch eine wirkliche Vaterfigur.





Meinung:
Im Indie-Film ist es die sensitive Ästhetik, die mit der informale Relevanz eine ganz eigene, ganz intime, gerne auch verspiele Liaison eingeht und die filmischen Ebenen in vielerlei Hinsicht wirkungsvoll ausschöpft. Es ist eine Sparte, in der man doch meinen sollte, das ein Film ohne Verzogenheiten auskommen könnte und sich so, eben wegen seinen spekulativen Freiheiten, vom stickigen Allerlei unterscheidet, welches auf Biegen und Brechen versucht, sich das Publikum zum Kumpanen zu machen und ihm so nur die Häppchen kredenzt, die ihm auch schmecken. Massenkompatibilität ohne Ecken und Kanten, ohne Splitter, an denen man sich verletzen könnte, drapiert mit zuckersüßem Verlogenheitsgemüse. Ein kommerzieller Erfolg mag dadurch gesichert sein und die verliebten Paare auch nach dem Kinobesuch noch Hand in Hand auf Wolke 7 schweben. Aber kann das zufriedenstellend sein?


Fast-Stiefpapa Trent (l.) lernt Duncans Vaterfigur kennen
Es trifft in diesen Fällen nämlich  nur dann genau den Konsumenten, der sich, wenn schon ein reales sprich ernstes Plateau eingerichtet wurde, auch den klaren Menschenverstand erwartet, der dieses Fundament mit dem nötigen Ernst und Sensibilisierung in Sachen (Zwischen-)Menschlichkeit aufbereitet wie modelliert. „Ganz weit hinten“ ist unter diesem Blickfeld eine bittere Enttäuschung und das Doppel Jim Rash und Nat Faxon (Skript zu „The Descendants“) setzt es sich zum Ziel, den Zuschauer lieber sanft und glücklich aus dem Saal zu geleiten, anstatt auf Authentizität zu setzen. Dagegen spricht in erster Linie auch rein gar nichts, allerdings ist das Drehbuch nicht nur undifferenziert chiffriert, es artikuliert sich in seinen Aussagen und Implikationen (Für das sich natürlich auch Jim Rash und Nat Faxon verantwortlich zeigen) ebenfalls furchtbar verwerflich.


Um das Hauptproblem von „Ganz weit hinten“ vorab auf den Punkt zu bringen: Der pubertäre Hauptprotagonist Duncan (Liam James) wird im konzeptionellen Coming-of-Age-Geseiere nicht an sich und somit an den steinigen Pfade der Realität gewöhnt; Duncan lässt sich durch die verstrahlte Vaterfigur Owen (Sam Rockwell als Adam Sandler) immer weiter von diesem Entwicklungsprozess distanzieren. Dem Drehbuch geht es letztlich nicht um Selbstfindung oder die Erkenntnis der eigenen Identität respektive Lebensphilosophie, die Autoren fokussieren sich darauf, dem Jungen einen schluffigen Fatzke vor die Nase zu stellen, der sich auf seinem Managerposten durch das Nichtstun auszeichnet und es für viel wichtiger erachtet, „ulkige“ Späßchen anzuordnen oder selber durchzuführen. Späßchen, wie zum Beispiel junge Frauen allein auf ihre körperlichen Reize zu reduzieren und diese dann vor all den lüsternen Gaffern auszustellen, um sich dabei heimlich ins Fäustchen zu kichern.


So schmeckt der Sommer
Allgemein herrscht in „Ganz weit hinten“ eine derart dominante Heteronormativität, dass die Fleischbeschau unwissender Damen vollkommen legitim ist, alle anderen sexuellen Tendenzen aber nur der Verarsche und zur Belustigung aller Anwesenden dienen. Schlimm, aber so fadenscheinig definiert sich Unterhaltung heutzutage im breiten Raum nun mal. Und dieser missfällige Ton schlängelt sich unentwegt durch den ganzen Film, was natürlich auch repräsentativ für unsere Zeit steht. Darüber hinaus sind Rash und Faxon zwar darum bemüht, ein defizitäres Familienverhältnis zu konstruieren, mit dem Arschloch als Stiefvater (Steve Carrell), der überfordert-naiven Mutter (Toni Collette), der obligatorischen Affäre (Amanda Peet) und der zickigen Halbschwester (Ava Deluca-Verley). Das führt zwangsläufig zu Reibungen, mal lauter, mal leiser, aber gänzlich ohne bleibende Effekte. „Ganz weiten hinten“ verharrt dramaturgisch auf der Stelle, weil der Film sich nicht für seine Nebenfiguren interessiert und den Zuschauer lieber durch den introvertierten Duncan einlullt.


Was soll man also schlussendlich sagen? Soll man „Ganz weit hinten“ dafür loben, dass er etwas versucht hat? Dass der Film sich mühsam um – Im familiären Kosmos eines jeden befindlich – Relevanz bemüht und diesen Strukturen eine greifbare Stütze verleihen wollte? Ein Versuch reicht nun mal nicht aus, gerade dann nicht, wenn er sich in engstirnigen und prüden Vorstadtideologien wälzt, in der Mut ebenso fremd scheint wie eine wirkliche Ungebundenheit. Aber die Masse wird es schon mit einem Lächeln auf den Lippen fressen, so liebenswert die Hülle hier schimmert und so sympathisch sich der Großteil der Charaktere auch verhält – Grauzonen sind selbstverständlich nicht zu finden. Ein rigoros gescheitertes Debakel, mehr lässt sich nicht über „Ganz weit hinten“ sagen. Oberflächlich sicher für einen lauen Sommerabend ohne jede Selbstreflexion geeignet, steckt hinter all den Fassaden dennoch eine mehr als nur fragwürdige Denke.


3,5 von 10 Staus in der Wasserrutsche



von souli

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