Review: DRECKSAU – James McAvoy als labiles Ekelpaket in Polizeikluft



Fakten:
Drecksau (Filth)
UK. 2013. Regie: Jon S. Baird. Buch: Jon S. Baird, Irvine Welsh (Vorlage). Mit: James McAvoy, Imogen Poots, Jaime Bell, Eddie Marsan, Jim Broadbent, Iain De Caestecker, Joanna Froggatt, Ernun Elliot, Shirley Henderson, Pollyanna McIntosh, Kate Dickie, David Soul, Shauna Macdonald, Martin Compston u.a. Länge: 97 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Ab 25. Februar 2013 auf DVD und Blu-ray.


Story:
Edinburgh ist das Review des Bullen Bruce Robertson. Doch er steht mehr über Korruption, Drogen, Alkohol und Gewalt als für die Gerechtigkeit. Als wäre das noch nicht genug sorgt er innerhalb seiner Kollegen für Intrigen und böses Blut und warum tut er das? Weil er eine Drecksau ist





Meinung:
Hauptfigur Bruce Robertson (James McAvoy) hangelt sich in seiner vorerst unkommentierten lasterhaften Charakterzeichnung kontinuierlich gefährlich nahe an der aus jeder greifbaren Wirklichkeit gefallenen Karikatur entlang. Zu oft scheint man ihm, dem schottischen Abschaum in Person, um jeden Preis ein mit von allen Seiten bestrahltes Podium widmen zu wollen, auf dem er sein ganzes Fehlverhalten genüsslich zelebriert und bis an den Rand der gehobenen Manieriertheit zur Schau stellen darf. Dass „Drecksau“ aber gerade nicht auf diese despektierliche Schiene gerät und das mehr als unmoralische Tun Robertsons keinesfalls nur als rauschartigen Trip ohne jede Stellungnahme ausgibt, liegt vor allem an James McAvoy, der hier wohl nicht nur die facettenreichste Darstellung seines bisherigen Lebens abliefert, er unterwirft sich seinem Charakter auch inständig und opfert sich in dessen Namen vollkommen auf. McAvoy geht an die eigenen Grenzen und ist dabei so unglaublich wendig in der affektiven Disposition, dass das größte Lob, welches man „Drecksau“ austeilen möchte, ganz klar vorerst mal an seine Adresse gesendet werden muss.


Bruce im Einsatz
McAvoys Performance nämlich erlaubt es, die Selbstreflexion, der „Drecksau“ Bruce Robertson im dritten Abschnitt des Films unterzieht, niemals als lächerliche Küchenpsychologisierung wirken zu lassen, obwohl sie in dieser klischeebehaftenen Präsentation der tragischen Umstände genau in diese Sparte passen würde. All die Schandtaten, die Bruce Robertsons einst weiße Weste in zwischen pechschwarz gefärbt haben, fallen nach und nach auf ihn zurück und die Pathologisierung seines Verhaltens, welches eben nicht nur aus launigem Saufen, Ficken, Koksen und schrecklich zielorientierter Gewissenlosigkeit besteht, verleiht ihm ein emotionales Fundament, anstatt die exzessiven Ausuferungen lose durch den Raum schweben zu lassen. „Drecksau“ bricht dadurch die strikt an Robertson gebundene Subjektivität der erzählerischen Perspektive, bezieht so Stellung und gibt ihm die verwachsene Menschlichkeit zurück, die, so scheint es in einigen Momenten, vollkommen aus diesem verlogenen Scheusal entflohen zu sein scheint. Der ausufernde Ausflug nach Hamburg, untermalt von Nenas Neue Deutsche Welle Aushängeschild „99 Luftballons“, darf als leise Wendung bezeichnet werden.


Man darf „Drecksau“ nun nicht mit der legendären Irvine Welsh Adaption „Trainspotting“ vergleichen, ähnlichen Kultstatus wird „Drecksau“ in der Filmwelt nie erreichen, dafür weißt Jon S. Bairds, Verfilmung im Gegensatz zu Danny Boyles Meisterwerk, gelegentlich offensichtliche dramaturgische Lücken auf, die „Drecksau“ in einen Zustand stolpern lesen, an dem man sich als Rezipient dummerweise vom Geschehen irgendwie im Stich gelassen fühlt. Zum Glück aber findet der Film immer wieder zurück in die sich antreibende Spur, schickt James McAvoy auf eine echte Tour de Force und hat es dabei nie nötig, auf eine Form von unnötigem Schubladendenken zurückzugreifen, dafür ist der labile Robertson viel zu desinteressiert an irgendeiner Leseart von Recht und Ordnung oder der Anpassung von diversen Systemen seiner Gesellschaft. „Drecksau“ ist zündendes Unterhaltungskino, dabei aber nicht nur ekelhaft und provokativ der stumpfen Belustigung wegen. Robertson ist in der Gosse angekommen, aber nicht aus eigenen, unbefangenen Stücken heraus, dieser Mann hat schwere Probleme, und die gilt es zu lösen – Nur wie?


6,5 von 10 Blowjobs


von souli

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