Review: DIE FLIEGE - Der verdrängte Klassiker




Fakten:

Die Fliege (The Fly)
USA, 1958. Regie: Kurt Neumann. Buch: James Clavell. Mit: David (Al) Hedison, Patricia Owens, Vincent Price, Herbert Marshall, Kathleen Freeman, Charles Herbert, Betty Lou Gerson u.a. Länge: 94 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.

 
Story:
In der Fabrikhalle der Brüder Delambre macht der Nachtwächter einen grausigen Fund: Die Leiche von Andre Delambre, sein Kopf und seine linke Hand durch eine Presse zerquetscht. Kurz darauf gesteht dessen Ehefrau Helene, ihren Mann getötet zu haben. Eigentlich ein klarer Fall. Für Andres Bruder Francois macht dies keinen Sinn, schließlich lief die Ehe seines Bruders vorbildlich. Helene scheint traumatisiert und ist besessen von einer Fliege, die Francois für sie fangen soll. Schließlich erzählt sie ihm eine unglaubliche Geschichte: Andre betrieb wissenschaftliche Experimente, um Objekte von einem Ort zum anderen zu teleportieren. Alles sah erfolgsversprechend aus, bis eine Unachtsamkeit zur Katastrophe führte.



                                                                         




Meinung:
Selten, aber gibt es auch: Der Film von Kurt Neumann galt eigentlich schon als Klassiker, doch dann kam knapp 30 Jahre später das Remake von David Cronenberg. Cronenberg gelang nicht nur das Kunststück, mit einem Remake das Original deutlich zu übertreffen, sein Film avancierte selbst zum Klassiker des Genres. Heute wird sein Film eher mit dem Titel "Die Fliege" assoziiert als das Original. Schon leicht verrückt und etwas schade für Neumann's Film, wobei Cronenberg das Material in der Tat besser nutzte. 

 
Auch Männer können Kopftuch tragen...
Die 86er-Version ist nicht nur um einiges expliziter und kann auch heute noch mit großartigen Effekten begeistern, sie greift viel deutlicher und direkter das in der Geschichte schlummernde Potenzial auf. Die Verwandlung von Mensch in Monster, der damit einhergehende psychologisch-existenzielle Konflikt und natürlich auch die sexuelle Ebene. Besonders an letzteres war in den 50ern natürlich überhaupt nicht zu denken. Das Original hat weit weniger Tiefe, konkretisiert die Aspekte von Cronenberg's Film kaum bis gar nicht, versteht sich als ganz klassisches Schauerstück zwischen Drama, Science-Fiction und Gruselfilm mit leichter Hammer-Studio Atmosphäre. Die Staubschicht ist unverkennbar dicker geworden, so verstören und erschrecken wie einst kann "Die Fliege" - auch unabhängig vom Remake - selbstverständlich nicht mehr. Dennoch, an Faszination hat das Werk kaum verloren. Interessant ist die Erzählweise, die sich nicht als klassisch linear darstellt, sondern die Ereignisse von hinten aufrollt. Heute nicht ungewöhnlich, damals nur seltener genutzt, gerade in dem Genre. Hochspannend ist "Die Fliege" dabei selten, bezieht seinen Reiz eher durch die Geschichte an sich und das Spiel mit dem, was wir (lange) nicht zu sehen bekommen. Was mit Andre Delambre geschehen ist wird schnell klar, nur das erschreckende Resultat versteckt sich lange unter einem Tuch, um erst kurz vor Schluss gelüftet zu werden. Auch ohne typische Schockmomente macht sich so Unbehagen breit, der stumme Wissenschaftler mit dem Appetit auf Milch wirkt unberechenbar und unheimlich. Wenn er schließlich seine entzückendes Antlitz präsentiert, wirkt das immer noch erstaunlich schrecklich. Für die damalige Zeit kann sich die Maske sehr sehen lassen, mit einem etwas nostalgischem Auge immer noch sehenswert.

 
Auch das Ende kommt heutzutage nicht mehr ganz taufrisch rüber, könnte beim jüngeren Publikum gar zu einem leichten Grinsen führen, ist an und für sich jedoch ähnlich wirkungsvoll wie zu seiner Zeit. Ein flaues Gefühl macht sich breit, wenn die Natur der Wissenschaft aufzeigt was es für Folgen hat, sich zu sehr einzumischen. Solche Momente vergisst man so schnell nicht wieder und machen "Die Fliege" zu einem Klassiker im Schatten des eigenen Remakes. Mit Abstrichen heute noch zu empfehlen.

 
6,5 von 10 Weißkopf-Fliegen

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen