Review: PICKNICK AM VALENTINSTAG - Auf nimmer Wiedersehen




Fakten:

Picknick am Valentinstag (Picnic at Hanging Rock)
AUS, 1975. Regie: Peter Weir. Buch: Cliff Green. Mit: Rachel Roberts, Dominic Guard, Helen Morse, Jacki Weaver, Anne Lambert, Christine Schuler, Karen Robson, Margaret Nelson, Jane Vallis u.a. Länge: 111 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Am Valentinstag des Jahres 1900 begibt sich ein australisches Mädcheninternat zu einem Ausflug an den Hanging Rock. Viel zu spät treffen sie wieder ein, mit der Nachricht, das drei Schülerinnen und eine Lehrerin spurlos verschwunden sind. Die tagelangen Suchaktionen und Ermittlungen bringen nichts ans Licht...aber dann taucht eine der vermissten Schülerinnen wieder auf.







Meinung:

 " Denn ein Traum ist alles sein...und die Träume selbst sind Traum."

 
Der australische Ausnahmeregisseur Peter Weir, spätestens seit seinem weltweitem Erfolg "Die Truman Show" global bekannt, liefert mit "Picknick am Valentinstag" einen ungewöhnlichen, enorm interpretativen Film ab, der auf seine Art sehr einzigartig war und bis heute ist.

Vier Mauerblümchen auf Klassenfahrt...
Schwer in eine Genreschublade zu stecken, verzaubert zunächst die - bis zum Schluss - grandiose Kameraarbeit von Russell Boyd und der merkwürdig-hypnotische Score von Gheorghe Zamfir (Panflöte) und Bruce Smeaton den faszinierten Zuschauer. Gewaltig in Bild und Ton drückt einem Weir hier einen Stempel auf Augen und Ohren, der sich tagelang nicht abwaschen lässt. Darüberhinaus besticht die tadellose, detailgetreue Ausstattung, welche nicht nur geringfügig zur Stimmung beiträgt. Stimmung, ohnehin das Stichwort für dieses Kunstwerk. Wer auf deutliche Erklärungen oder konventionelle Mittel hofft, hat definitiv auf den falschen Felsen gebaut. Das dürfte aber relativ schnell felsenfest klar sein. Schon zu Beginn an spielt Weir mit dem Zuschauer, gaukelt im Ansätze vor, die letztendlich nur verwischte Spuren im rotem Felsensand sind. Er geht sogar noch weiter: Bis zum Ende darf theoretisch noch auf eine glasklare Auflösung gehofft werden, stattdessen wird uns noch ein kaum verdaubarer Brocken hingeworfen, den wir unmöglich schnell genug verwerten können.

Dadurch funktioniert Weirs Picknick: Das merkwürdige Spiel mit Schein und Sein, dem faszinierenden Sog aus Vermutungen, den Möglichkeiten des Übernatürlichen, von göttlicher Vorbestimmung bis Schicksal, selbstherbeigeführten Drama und dem, was auch immer dazwischen liegt. Alles ist möglich, alles logisch bis nicht denkbar, zwischen rationalen Motiven, Unglücksfällen und mystischen Ereignissen liegen nur Wimpernschläge, jedes für sich akzeptabel. 

 
...das kann nur böse enden.
Aber was endet dort? Der Ort ist definitiv festgelegt, der Hanging Rock, dessen fratzenartiges Felsmassiv zum Protagonist, eher zum Antagonist wird. Ein steiniger Seelenfresser, eher passiv als aktiv, oder doch nicht? Der Bösewicht mit den vielen Gesichtern, der entweder der Ausgangspunkt allen Übels ist, oder nur der Punkt, an dem alles zu Tage tritt. Die Mädchen winken zum Abschied, kündigen ihr Verschwinden sogar an, aber was denn genau passiert ist, ein grosses Fragezeichen, welches eben deshalb wahnsinnig gut funktioniert. "Ich würde alles alles darum geben, um zu erfahren, was da oben tatsächlich geschehen ist." Ich nicht. Das würde dem Film seiner Magie berauben. Das wusste auch Peter Weir und legt uns ein Puzzle hin, bei dem bewusste etliche Teile fehlen. Gerade diesen vermissten Schlüsselelemten verdankt "Picknick am Valentinstag" seinen Reiz. Mit den übergrossen Stücken wäre kaum dieses Erlebniss möglich. So wandeln wir in Träumen, die selbst ein Traum sind. Komisch, befremdlich, ästhetisch enorm wertvoll. Mehr Fragen als Antworten, perfekt umgesetzt. Eine Form von Avantgarde im Horrorgenre, lange bevor M. Night Shyamalan nur von einem Twist geträumt hat. Der Film erschlägt dich, sobald das Ende keine Rolle mehr spielt. Das nenne ich Kunst.

Da stehst du schlussendlich, hast weniger Antworten als die dauerhaft tickende Wanduhr, dafür viel Zeit, dir alles durch den Kopf gehen zu lassen. Zeit ist ein kostbares Gut und so schön angeregt, mehr wert als hundert billige Auflösungen für den kurzen Kick und ohne Nährwert.

8 von 10 Picknick-Körben

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