Review: I SPIT ON YOUR GRAVE - Wenn der Sommerurlaub zum Schrecken wird



Fakten:
USA. 2010. Regie: Steven R. Monroe. Buch: Jeffrey Reddick, Stuart Morse. Mit: Sarah Butler, Chad Lindberg, Daniel Franzese, Tracey Walter, Jeff Branson, Rodney Eastman, Saxon Sharbino, Mollie Milligan, u.a. Länge: 90 Minuten (FSK18-Fassung), 99 Minuten (indizierte Fassung), 108 Minuten (beschlagnahmte Uncut-Fassung). FSK: freigegeben ab 18 Jahren (stark gekürzt), indiziert (gekürzt), beschlagnahmt (ungekürzt). Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Eigentlich wollte die attraktive Städterin Jennifer die  Zeit in der amerikanischen Idylle nutzen, um ihrem Beruf als Autorin wieder alle Ehre zu machen und in der Entspannung neue Inspiration finden. Als jedoch eines Tages die Holzhütte von 4 Bewohnern der nahegelegenen Kleinstadt aufgesucht wird, beginnt für Jennifer eine unvorstellbare Tortur: Die Männer erniedrigen sie und vergewaltigen sie auf bestialische Art und Weise nacheinander. Nachdem Jennifer den vier Rednecks entkommen konnte, schwört sie Rache. Und die soll sie im Kampf um das beidseitige Überleben auch bekommen…





Meinung:
Wer sich mit Meir Zarchis legendärem und ebenso kontrovers diskutierten Rape & Revenge-Klassiker mit dem akzentuiert-plakativen Titel „Ich spuck' auf dein Grab“ ernsthaft auseinandergesetzt hat, der wird festgestellt haben, dass die intendierte Konfiguration keinesfalls auf einen stumpfen Exploiter im 70er Jahre-Schmuddelgewand abzielen wollte, sondern das qualvolle Martyrium der intellektuellen Hauptdarstellerin Sarah mit der ebenso grausame Vergeltung in einem moralisch-emanzipatorischen Dilemma konfligieren lassen. Am Ende ging das zwar nicht in meisterhafter Qualität auf, in die Schublade eines misogyn-sadistischen Reißers darf sich „Ich spuck' auf dein Grab“ dennoch nicht verfrachten lassen. Mit Steven R. Monroes Remake verhält sich das schon etwas anders. Vorerst suggerieren bereits die formalen Möglichkeiten den Eindruck, dass es sich hier um ein weitaus glatteres Abbild des Originals handeln muss, während die Inszenierung ganz im Gegensatz zu Zarchis amateurhafter, aber gerade dadurch umso intensiveren Rohheit, viel professioneller daherkommt und sich in den kontemporären Konventionen des schwammigen Torture-Porns eingliedert – Ein kontraproduktiver Usus.


Für Autorin Jennifer scheint der Alptraum nie zu enden
Wenn es dann auf die inhaltliche Ebene geht, ist Monroe ebenso ganz das Opfer der modernen (Sub-)Genre-Gepflogenheiten: Strikt auf seine Schockeffekte ausgelegt, verdreht er den Brennpunkt der Vorlage und zentriert sich nicht auf den Leidensweg seiner Protagonistin, sondern rückt die Peiniger in den Fokus, um ihnen dazu noch einen derart banalen Motivationshintergrund (Die blöden Weiber aus der Stadt und ihre körperlichen Reize!) zu verleihen, der in der Realität wahrscheinlich in einigen degenerierten Gehirnwindungen umherschwirren dürfte, in dieser filmischen Form aber einen mehr als schwachsinnigen Tonus in Monroes größtenteils uneffektiven Duktus impliziert, der die Gewalt beider Seiten auf seine ganz eigene Art legitimieren und sympathisieren möchte – während der kathartische Effekt im angedeuteten Lächeln des ikonisierten Racheengels in der letzten Einstellung das eigentlich ambige Thema vollkommen verfehlt. So laienhaft Zarchis Führung in „Ich spuck' auf dein Grab“ auch gewesen sein mag, der Mann war nicht vollkommen auf seine grenzüberschreitende Momente orientiert, und wenn er die impulsiven Gewaltspitzen aus dem Sack gelassen hat, dann durfte der Zuschauer in seinem Sitz erstarren.


Jennifer kennt keine Gnade
Löst man „I Spit on Your Grave“ von den adaptierten Überbleibsel der Vorlage, bleibt ein gehaltloser und vor allem ohne jede Reibungsfläche inszenierter Rape & Revenge-Eklektiker, der sich ganz seiner pubertären Zielgruppe verschreibt und der MTV-Generation reichlich exzessive Brutalität um die Ohren schleudert – Tobender Applaus garantiert. Allerdings ist die hier offerierte Gewalt keine förderliche oder der Geschichte zugeschriebene, sie ist ein an ihren Kontext gebundener Selbstzweck. Man muss sich nur einmal vor Augen halten, dass die Vergewaltigungsszene, in der eine Frau beinahe 30 Minute aufs Übelste physisch und psychisch diffamiert wird, einfach nicht an die Substanz des Konsumenten geht, obgleich der extreme Härtegrad unwiderlegbar ist und die Verzweiflung der in ihren Grundfesten zerrissenen Frau offen ausgestellt wird. Vielmehr wird der Zuschauer durch die blass-blöde Ästhetik auf Abstand gehalten und muss sich die voyeuristische, anstatt die entlarvende Rolle gefallen lassen. Wenn die Kamera dazu immer wieder in gaffender Ausuferung über den Körper des Opfers fährt und es sich dabei nun mal nicht um die Handcam-Perspektive eines der Täters handelt, dann ist der Fall klar.


Schließlich versagt die Differenzierung innerhalb der dualen Gruppierung vollständig und während den Vergewaltiger plötzlich eine fragwürdige und auf sanfte Sympathie anzielende Menschlichkeit zugesprochen wird, mutiert das geschundene Opfer zum femininen Predator, verkriecht sich wochenlang im Wald, baut fallen und frönt den Sadismus innerhalb ihrer Vergeltungspraktiken. Am Ende bleibt mal wieder eines vollkommen klar: Ein Remake kann sich nur dann als sinnvoll erweisen, wenn e sich zum einen der Moderne anpasst, die Intention der Vorlage dadurch aber nicht verrät und dem bekannten Stoff mit viel Glück sogar noch einige neue Denkanstöße verleiht. Mit „I Spit on your Grave“ ist hingegen mal wieder das Gegenteil eingetreten und die reaktionäre Selbstjustizromantisierungen, wie sie in ihrer debilen Aufmachung immer wieder auftreten, sind einfach zum Kotzen, denn eine Form von zufriedenstellender Genugtuung hat in derartigen Filmen einfach nichts zu suchen.


3 von 10 Angelharken durch die Augenlider


von souli

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