Review: THE GOOD, THE BAD, THE WEIRD - Wenn Jee-woon Kim dem Western huldigt



Fakten:
The Good, the Bad, the Weird (Joheunnom nabbeunnom isanghannom)
Süd-Korea. 2008. Regie: Jee-woon Kim. Buch: Min-suk Kim, Jee-woon Kim. Mit: Byung-hun Lee, Kang-ho Song, Woo-sung Jung, Kwang-hun Jo, Cheong-a Lee, Dong-seok Ma, Young-chang Song, Je-mun Yun Ji-won Uhm u.a. Länge: 125 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Der Ferne Osten während der 1930er Jahre: Die Wege eines Flüchtling, eines Zugräuber und eines Bounty Hunter kreuzen sich. Alles beginnt mit einer gestohlenen, japanischen Schatzkarte, die der eine besitzt und der andere zurückholen soll, während beide vom dritten gejagt werden. Als wäre das noch nicht genug, mischt sich auch noch die chinesische Befreiungsarmee mit ein.




Meinung:
Jee-woon Kim ist schon ein interessanter Regisseur, besitzt er doch die relevanten Tugenden, die einen wirklich erstklassigen Filmemacher auszeichnen sollten. An erster Stelle ist der koreanische Ästhet nämlich ein Tausendsassa, der sich genrespezifischen Kopfzeilen gänzlichen entziehen kann und erwartungsgemäß immer wieder neue Gefilde austestet, um ihnen einen eigenen Stempel aufzudrücken. Dazu schafft Kim es mit enormer einer Stilsicherheit, einer altbackenen Thematik einen ansprechenden Glanzton zu verpassen, ohne sich in dramaturgische Sackgassen zu manövrieren oder sich in seiner formalen Wertbeständigkeit in eine forcierte wie prätentiöse Abstellkammer des internationalen Kinos zu gelangen. Ein charakteristisches Merkmal in Jee-woon Kim bisheriger Vita ist, dass er ausgedienten Inhalten genau den restaurierten Drall verleiht, die den Zuschauer genau von dieser verschlissenen Tatsache ablenkt – ohne ihn durch plumpe Taschenspielertricks hinter das Licht zu führen.


Nicht Leone, auch wenn es danach aussieht
Wenn es also heißt, dass Jee-woon Kim dem geliebten Western-Motiv in einem eigenen Film die ehrenwerte Aufmerksamkeit gezollt hat, dann dürfte kein Filmfan die Hände vor dem Gesicht zusammenklatschen und mit einem regelrechten Debakel – für seine erstklassigen Verhältnisse - rechnen, wie Kim es sich beinahe mit seinem Neo-Western „The Last Stand“ zuletzt geleistet hat, in der er in seiner ersten amerikanischen Produktion Action-Opa Arnold Schwarzenegger in die etabliert-standardisierte Rolle des grimmigen Sheriffs setzten durfte und ihn mal wieder den Verbrechern aus aller Welt an den Hals hetzte. Nein, Jee-woon Kim hat mit seiner Neo-Action-Western-Hommage „The Good, the Bad, the Weird“ erneut bewiesen, dass er in Sachen inszenatorischer Finesse zu den ganz großen Kalibern des asiatischen Kinos zählt, eben weil die leibeigene Fingerfertigkeit nicht nur in eine stereotypische Korsage gezwängt wurde, die ihre eigenen Grenzen nie austestet – oder sogar überquert, sondern weil Kim sich immer an neue Ufer begibt und sein umfassendes Talent zunehmend verdeutlicht.


Wer allerdings Hoffnungen auf einen eigenständig funktionierenden Film hegt, der sich nur einem althergebrachten (Genre-)Plateau widmet, um seine eigenen Ideen zum Tragen zu bringen, der täuscht sich dennoch: „The Good, the Bad, the Weird“ ist vielmehr eine rasante und von Anfang bis Ende actiongeladene Akkumulation der essenziellen Versatzstücke des Italo-Western. Wie der Titel schon verlauten lässt, war vor allem Sergio Leones prägender Klassiker „Zwei glorreiche Halunken“ („The Good, the Bad, the Ugly“) maßgebliches Vorbild in Kims Motivation den Film umzusetzen. Wer nun denkt, dass Kim sich allein vor Sergio Leones ikonisierender Westernromantik ausbreitet und Clint Eastwood als wortkargen Anti-Helden ein Denkmal schnitzt, der liegt nochmals falsch. In „The Good, the Bad, the Weird“ stecken unzählige Versatzstücke, die von Steven Spielbergs Abenteuerreihe „Indiana Jones“, über Sergio Corbuccis tiefschwarzer Western-Schlammschlacht „Django“ und Quentin Tarantino Rache-Epos „Kill Bill Vol.1“ reichen.


Gestatten, the Weird
Es hapert – wenn man schon Kritik am wilden Partystarter üben möchte – Kims Narration und strukturierter Formierung ganz klar an cinephiler Autarkie. Soll heißen: So ziemlich jede Szene, oder jeder Ausgang einer Szene, arbeitet auf eine Ehrerbietung oder Anspielung vergangener Klassiker hin, die ihre memorablen Momente von den großen Regietitanen wohldosiert in das Gesamtkonzept gestreut bekamen und nicht wie Kim, in allen 5 Minuten einen großen Knallkörper zu zünden versuchen. Und doch ist „The Good, the Bad, the Weird“ weitaus unterhaltsamer und dem Neo-Western liebevoller auf die Pelle gerückt, als Quentin Tarantino es - wenngleich die Intentionen der Reziprozität unterliegen - mit seiner durchschnittlichen Selbstbeweihräucherung „Django Unchained“ geschafft hat. Kim ist sich vollkommen darüber im Klaren, dass er hier nur einen Zwischenstation in seinem Schaffen kreiert, die keinerlei Mehrwert besitzt und sich ihrer No-Brainer-Mentalität vollkommen bewusst ist.


Was Kims Werk in seiner unermüdlichen Zitierwut aber über die gesamte Laufzeit eindrucksvoll aufweist, ist ein enormes Tempo, welches in ihrer zügellosen Art einfach keinerlei Längen aufkommen lässt und den Zuschauer in das bleihaltige Geschehen in der von Wirrungen und Irrungen gezeichneten Mandschurei der 1930er Jahre einbindet. Kim steigert sich dabei von Shootout zu Shootout und lässt nicht nur seine Vorbilder im reanimierten Licht erstrahlen, sondern auch seine handwerkliche Meisterklasse, die sich an den verschiedensten Orten – ob in den kahlen Weiten der Mandschurei, einer tosender Lokomotive oder einem von engen Gassen dominierten Städtchen – immer wieder wunderbar entfalten kann. Da zählt es nicht, dass die Landschaftspanoramen ohne allegorisches Profil auskommen oder dass die Charaktere vollkommen eindimensional geschrieben wurden und sich in ihrer Stilisierung jeder Grauzone kaltschnäuzig entziehen. „The Good, the Bad, the Weird“ ist eine hervorragend inszenierte Stimmungskanone, die nicht fordern will, sondern erfolgreich unterhält.


7 von 10 geheimnisvollen Schatzkarten


von souli

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