Review: A BITTERSWEET LIFE - Die Poesie des südkoreanischen Untergrunds



Fakten:
Bittersweet Life (Dalkomhan Insaeng)
Süd-Korea. 2005. Regie und Buch: Jee-woon Kim. Mit: Byung-hun Lee, Jeong-min Hwang, Ku Jin, Hae-gon Kim, Yeong-cheol Kim, Gi-yeong Lee, Min-a Shin, Dal-su Oh u.a. Länge: 115 Minuten. FSK: freigegeben ab 18 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Gangsterboss Kangs bester Mann ist Sun-woo. Dieser erledigt seine Aufgaben mit höchster Professionalität und erweist sich auch in hitzigen Situationen als kühler Kopf. Als Kang für ein paar Tage verreist, soll Sun-woo auf dessen Geliebte aufpassen, die, so glaubt Kang, ihn hintergeht. Falls sich dieser Verdacht bewahrheitet, soll Sun-woo sie töten. Tatsächlich erwischt er Kangs Freundin beim fremdgehen, doch er unternimmt nichts und plötzlich steht Sun-woo selbst auf der Abschussliste.




Meinung:
Die von Messerstichen und Projektilen blutüberströmte Blüte der zentralen Geschichte, die „A Bittersweet Life“ inne trägt, ist aus der kritischen Sicht gegenwärtiger Innovationsansprüche und Gewohnheiten längst verwelkt. Regisseur Jee-woon Kim zeigt jedoch mit beeindruckender Stilsicherheit, dass es in einem Film nicht nur darauf ankommt, WAS er erzählen möchte, sondern auch darauf, WIE er es erzählt. Natürlich ist die standardisierte Ikonisierung vom introvertiert-akkuraten Racheengel ein alter Hut und auch im Falle von „A Bittersweet Life“ fällt die Charakterisierung des Protagonisten Sun-woo etwas schwammig aus. In ihm lassen sich die altbewährten Wesenszüge einer Heroic-bloodshed Koryphäe, dem Sergio Corbucci Anti-Helden und Jean-Pierre Melvilles Gangsterfiguren wiederkennen. Dieses Charakterbild würde stören, wenn es krampfhaft aufgesetzt wirkt, wenn jeder Wimpernschlag an seiner eigenen Coolnesszelebration zerfällt, doch hier lässt sich das inszenatorische Talent des Filmemachers erkennen.


Sun-woo kennt eigentlich keine Gnade
Jee-woon Kim führt den Zuschauer Anhand Sun-woos in ein nihilistisches Südkorea, in dem es nur Tod, Gewalt und Amoral gibt, ein Südkorea, in dem die Zeit stillzustehen scheint, in dem die aufgezeigten Figuren nicht nur zu tarantinoesken Karikaturen verkommen, sondern ihren systematisch-organisierten Sündenpfuhl gefunden haben. Mit dieser Grundlage des asiatischen Schattenreiches, in dem die Anzug tragenden Bestien der Hinterzimmer die Zähne fletschen und die kontrollierenden Zügel in der Hand haben, beweist Kim sein inszenatorisches Raffinement: „A Bittersweet Life“ ist ein visueller Hochgenuss, eine kraftvoll-betörende Symbiose aus elegant-durchkomponierten Kamerafahrten und präzisierten Farbklängen, die jede Einstellung zum Gemälde stilisieren möchten und sich ihren poetischen Anleihen dabei natürlich vollkommen bewusst sind. Ganz zu schweigen von der musikalischen Begleitung, die in den Action-Szenen nicht explodieren möchte und mit ungeschliffen-pumpender Betonung zur choreographierten Dynamik betragen versucht, hier gibt es die klassischen Klänge von Dalparan und so einen ganz eigenen Takt.


Wenn die Narration auf ihren brutalen Klimax zusteuert, in ihrer Gnadenlosigkeit aber immer realistisch bleibt und der Zuschauer – genau wie die Figuren – längst nicht mehr zwischen Gut und Böse unterscheiden können, dann müssen die Beteiligten für ihren (Eigen-)Verrat und das ungeahnte Aufwachen des eigenen Gewissens bezahlen. Ein Hotel wird zum Sammelbecken der angestauten Konflikte, der emotionale Zwiespalt, der vom Drehbuch nie herausgearbeitet wurde, lässt sich in den Gesichtern ablesen und es kommt zum inneren Monolog: Das einst so lustvoll ertönende Cello weint ein letztes Mal, die Äste wiegen sich elegisch, nicht weil der Wind weht, sondern weil die Seele leise flüstert und alles andere vollkommen verstummt. Auch Hauptfigur Sun-woo muss schlussendlich feststellen, dass diese Welt, in der er von der narzisstischen Marionette zum autarken Beschützer wurde, keine Liebe für ihn bereithält, sondern nur die rohe Eskalation mit kathartischen Abstrahleffekten. Träume werden nur erfüllt, wenn der Kampf gegen das eigene Spiegelbild begonnen hat – Das einzige Lächeln im abgekämpften Gesicht darf entfesselt werden.


8 von 10 Träumen, die sich nie erfüllen


von souli

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen