Review: FITZCARRALDO - Schiff-Hanger

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Fakten:

Fitzcarraldo
BRD, 1982. Regie & Buch: Werner Herzog. Mit: Klaus Kinski, Claudia Cardinale, José Lewgoy, Paul Hittscher, Miguel Ángel Fuentes, Huerequeque Enrique Bohorquez, Grande Otelo, David Pérez Espinosa, Milton Nascimento u.a. Länge: 151 Minuten. FSK: ab 12 Jahren freigegeben. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Brian Sweeney Fitzgerald, genannt Fitzcarraldo, hat sein gesamtes Geld bei dem gescheiterten Versuch verloren, eine Eisenbahnlinie durch den Dschungel Perus ins Leben zu rufen. Sein neuestes Ziel ist eine reine Herzensangelegenheit: Er will ein Opernhaus bauen. Um das nötige Kleingeld für dieses gewagte Projekt zu bekommen, muss er erst ein noch viel unmöglicheres realisieren. Fitzcarraldo erwirbt die Rechte für ein Gebiet mitten im tiefsten Dschungel, reich an gewinnbringenden Kautschuk. Der Haken an der Sache: Die Region scheint unerreichbar. Zum einen wird die Gegend von gefährlichen Wilden bewohnt, zum anderen führt der einzige Flußzugang durch undurchquerbare Stromschnellen. Doch Fitzcarraldo hat schon einen Plan, dessen Durchführung schlicht unmöglich klingt.





 Meinung:
Zehn Jahre nach "Aguirre, der Zorn Gottes" begeben sich Werner Herzog und sein liebster Feind Klaus Kinski wieder gemeinsam in den Dschungel. Das Herzog nach den damals abenteuerlichen Dreharbeiten mit Kinski ihn danach noch für "Nosferatu - Phantom der Nacht" und "Woyzeck" verpflichtete muss für den normalen Menschenverstand im ersten Moment unerklärlich klingen, doch irgendwie brauchten sich die Beiden. Freund und Feind in einer Person, zwei eigenwillige Ausnahmekünstler, auf ihre total unterschiedliche Art verrrückt und genial. Gegensätze ziehen sich an, stimmt wohl. Doch diesmal wurde das erneute Dschungel-Camp aus der puren Not geboren. Ein Glücksgriff, der dafür wieder reichlich Nerven kostete. Wiedermal musste Kinski froh sein, die Dreharbeiten lebend überstanden zu haben. Wer die, sehr sehenswerte, Doku "Mein liebster Feind" über die unglaubliche Zusammenarbeit von Herzog und Kinski gesehen hat wird wissen, welche Momente, sowohl beim "Aguirre" und "Fitzcarraldo" Dreh, gemeint sind. Wer nicht, ich verrate nichts, klingt viel schöner, wenn Herzog das selbst preisgibt.


Oper für die Wilden
Um nicht abzuschweifen: Kinski war überhaupt nicht vorgesehen für den Film (Selbschutz von Herzog?), sondern Jason Robards. Der erkrankte jedoch während des Drehs (im fortgeschrittenen Stadium der Produktion, für so aufwendige Film kann das schon den Genickbruch bedeuten). Eigentlich sehr schade, denn erstens wären Robards und Claudia Cardinale ein schönes Paar gewesen, war ihnen ja bei Sergio Leone nicht vergönnt, zweitens hätte Robards auch gut auf die Rolle gepasst. Ich könnte ihn mir, normalerweise, sehr gut vorstellen. Aber was ist bei Herzog/Kinski schon normal... 

Das Kuriose ist dann eben: Der, mehr oder weniger, aus Verzweiflung aus dem Hut gezauberte Kinski spielt das so stark, tut mir leid für Robards, dagegen ist er zweite Wahl. Denn in diesem Projekt geschieht etwas sehr seltenes: Kinski darf hier zwar wieder eine, im weitesten Sinne, wahnsinnige Figur spielen, aber einen durch und durch sympathische. Seine größten Rollen waren nun mal die als Bad Guy, als Psychopath, das kam seinem explosiven Spiel zu gute. Hier ist er so liebenswert wie selten.  Natürlich schlummert auch in dieser Figur eine gewisse Form von Wahnsinn, aber nie negativ belastet.

 

Schiff auf Abwegen
Fitzcarraldo ist ein Träumer, ein Mann, der schon mal alles verloren hat, aber sich trotzdem unermüdlich an eine Passion klammert. Er hat ein Ziel und ist bereit, es mit allen Mitteln durchzusetzten, egal, ob es ihn endgültig ruiniert oder er sogar sein Leben lassen muss. Es ist noch nicht mal ein egoistisches Ziel, er will diesem Fleck der Welt etwas schenken, was sie sonst nie erleben werden. Kinski wirkt niemals wie ein Verrückter, sondern nur wie ein Leidenschaftlicher. Das ist der große Unterschied zu seinen meist gezeigten Rollen. Das Herz des Zuschauers ist immer bei ihm und jeder Rückschlag schmerzt ihn wie uns. Bedenkt man, was hinter den Kulissen für ein unfassbarer Zirkus abging, von Wutausbrüchen bis zu fast Totschlägen, ist das angesichts seiner Leistung kaum vorstellbar. Da ist zu sehen, wie extrem der Mann doch zwischen eigener Persönlichkeit und Auftretten vor der Kamera umschalten konnte.


Das größte Lob gebührt aber eindeutig Werner Herzog. Fast jeder hätte entweder nach dem Robards-Desaster, spätestens wohl während des Drehs mit Kinski die Brocken entnervt hingeworfen, vollkommen verständlich, aber letztendlich findet sich Herzog in dem Punkt wohl in der Rolle des Fitzcarraldo wieder. Er hat einen Traum, und egal was passiert, er setzt es um. Ich ziehe meinen Hut davor, dass es einerseits dem fertigen Film nicht anzusehen ist und andererseits, dass am Ende sogar einer der größten, besten deutschen Filme aller Zeiten entstanden ist. So episch, aufwendig war deutsches Kino nie mehr (nach über 30 Jahren, jetzt dürfen sie traurig sein), die Dreharbeiten können kaum verrückter und anstrengender gewesen sein, als das geschilderte Szenario (und selbst das ist ja schon irre).


Ein wunderschöner, riesengroßer Film, ein Meisterwerk. Mein persönlicher Favourit bei Kinski/Herzog bleibt zwar "Aguirre, der Zorn Gottes", aber das ist Haarspalterei. Unglaublich. Werner, magst du nicht noch mal in den Dschungel gehen? Aber NICHT bei RTL...

8,5 von 10 Nacktärschen

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