Review: NACH DER HOCHZEIT - Gefühlskino ohne Zuckerguß


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Fakten:
Nach der Hochzeit (Efter brylluppet)
Dänemark, 2006. Regie: Susanne Bier. Buch: Anders Thomas Jensen. Mit: Mads Mikkelsen, Rolf Lassgard, Sidse Babett Knudsen, Stine Fischer Christensen, Christian Tafdrup, Ida Dwinger u.a. Länge: 119 Minutnen. FSK: ab 12 Jahren freigegeben. Auf DVD erhältlich.


Story:
Jacob arbeitet als Vorsteher eines Waisenhauses in Indien, das von der Schließung bedroht wird. Dann erhält er von Jorgen, einem dänischen Geschäftsmann, ein ungewöhnliches Angebot. Er bietet eine großzügige Spende an, die jedoch an eine seltsame Bedingung geknüpft ist: Jacob muss selbst nach Europa reisen und den Vertrag unterzeichnen. Zufällig fällt Jacobs Ankunft mit der Hochzeit von Jorgens Tochter Anna zusammen und Jorgen bittet Jacob, an der Feier teilzunehmen. Auf der Hochzeit stellt Jacob fest, dass die Mutter der Braut und Ehefrau seines Wohltäters, seine Jugendliebe Helene ist. Als Jacob hört, dass Jorgen gar nicht Annas leiblicher Vater ist, steigt eine unfassbare Ahnung in ihm auf...




Meinung:
Dank Regisseurin Susanne Bier und Autor Anders Thomas Jensen, zwei der wichtigsten und besten Filmemachern Dänemarks, schlägt "Nach der Hochzeit" einen Ton ein, der im US-Kino in dieser Form kaum noch vorstellbar scheint. Eine mit hoher Emotionalität und berührender Tragik durchzogenen Geschichte verzichtet gänzlich auf klebrigen Kitsch und seziert seine Figuren mit sensiblen Tiefgang. 


Helene und Jacob haben sich viel zu erzählen
Langsam und ohne in Hektik zu verfallen wird der Zuschauer in die Geschichte eingeführt und steht dabei zunächst immer auf der selben Stufe wie Protagonist Jacob. Ihm und uns erscheint es unglaubwürdig, dass alles nur ein Zufall oder hämischer Wink des Schicksals sein soll. Warum kommt ausgerechnet er zu genau diesem Zeitpunkt mit genau diesen Menschen zusammen? Da muss einfach mehr dahinter stecken und wenn dem so ist, aus welchem Grund? Wer steckt hinter dieser merkwürdigen Zusammenkunft und was soll der Nutzen sein? Diese Frage bleibt relativ lange unbeantwortet, bis schließlich das Geheimnis gelüftet wird. 


Jorgen hütet ein bitteres Geheimnis
Spätestens an dem Punkt hätte alles scheitern können. Emotional grenzwertige Kitsch-Stolperfallen lauern in jeder folgenden Minuten und es lässt sich nur zu gut erahnen, wie schnell diese den Film zum Verhängnis werden könnten. Es erfordert ungemein viel Inszenierungsgeschick, ein feinfühliges Drehbuch und hervorragende Darsteller, um den Zuschauer zu packen und eben nicht mit Anlauf in dieses Minenfeld rennen zu lassen. Das alles zeichnet "Nach der Hochzeit" aus. Die Figuren wirken von Beginn an und, das ist entscheidend, auch bis zum Schluss ehrlich und authentisch. Jede ihrer Emotionen wirkt niemals überzeichnet oder künstlich, als Zuschauer fühlt man sich nie manipuliert durch überzogene Theatralik oder schablonenhafte Holzschnittfiguren. Das Szenario ist sicherlich nicht alltäglich, mutet auf den ersten Blick vielleicht auch nicht realistisch an, doch Bier gelingt das Kunststück,  es genau so wirken zu lassen. Man nimmt es ihr, und auch den Darstellern, uneingeschränkt ab und zwar in jedem Moment. Nie wirkt irgendwas überzuckert oder überdramatisiert, stattdessen lässt man sich gerne mittreißen von einer leisen, menschlichen und letzten Endes auch traurigen Geschichte.


Nach ihrer Hochzeit überschlagen sich die Ereignisse
Großes Lob gebührt dem Darstellerquartett Mikkelsen/Lassgard/Knudsen/Christensen, die ihre Rollen bis in die kleinste Nuance perfekt verkörpern. Jeder noch so kleine Blick wirkt niemals zufällig und wohl überlegt, wird darüberhinaus von Bier auch noch so präzise eingefangen. Es ist wirklich schön zu sehen, wie so viel Gefühl in die Rollen gelegt wird, ohne dabei zu überdrehen oder in oberflächliche Standards zu verfallen. Eine der, wenn nicht die, ergreifenste Szene gehört Rolf Lassgard: Sein letzter Auftritt im Film ist so fantastisch, besser lässt sich das kaum spielen.


"Nach der Hochzeit" hat sicherlich eine etwas konstruierte Geschichte, verkauft sie dafür exzellent. Inhaltlich wäre auch noch mehr drin gewesen, mit einer anderen Inszenierung würde der Film kaum so positiv wirken. Das ist es dann aber auch mit Kritik.
Wer einen Gegenentwurf zur Holzhammerrührseligkeit Marke Hollywood sehen möchte, sei der Film uneingeschränkt ans Herz gelegt.


7,5 von 10

   

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