Review: DIE MORDE VON SNOWTOWN - Australisches Grau


Fakten:
Die Morde von Snowtown (Snowtown)
Australien. 2011. Regie: Justin Kurzel. Buch: Justin Kurzel, Shaun Grant. Mit: Lucas Pittaway, Daniel Henshall, Bob Adriaens, Louise Harris, David Walker, Keiran Schwerdt, Beau Gosling, Frank Cwiertniak, Matthew Howard, Marcus Howard, Richard Green, Aaron Viergever, Anthony Groves. Länge: 120 Minuten. FSK: Ab 18 Jahren freigegeben. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Nach einer wahren Geschichte. Anfang der 1990erJahre in einem australischen Vorort: Mutter Elizabeth und ihre drei Söhne führen ein Leben voller Tristesse, Gewalt und Depression. Die Jungs werden vom Nachbarn missbraucht, was Elizabeth versucht zu unterbinden. Doch erst als sie John Bunting kennenlernt, keimt wieder Hoffnung auf. Jaime, ihr ältester Sohn, findet im neuen Ersatzvater einen Mentor. Vor allem dass dieser zusammen mit Freunden gegen Pädophile in der Umgebung vorgehen will und sich nicht auf die Behörden verlässt beeindruckt den 16-jährigen. Doch auch John hat finstere Seiten, wie Jamie bald herausfinden muss.





Meinung:
Dieser Film schlägt einen nieder. Regisseur Justin Kurzel zeigt ohne Scheu und ohne spürbaren Drang zur Unter- wie zur Übertreibung die graue, die andere Seite der Armutsgrenze. Unprätentiös wird der Zuschauer hineingeführt in diese kalte, alles erstickende Welt, die scheinbar mit allem möglichen Schrecken gefüllt ist. Kindesmissbrauch, Folter, Abhängigkeit, Mord. „Snowtown“ ist ein harter Film. Verschönerungen gibt es nicht. Hier wird erzählt was geschehen ist, ohne künstliche Schauwerte. Das ist hart und in den Momenten wo der Schrecken ohne spürbaren Filter der Fiktion auf einen zurast, schwer auszuhalten. Die Masche der „wahren Begebenheit“, die so manchem Film angehaftet wird, ist hier wirkungsvoll, weil Kurzel uns einen Film präsentiert, der in seinem rauen, authentischen Look keinerlei Zweifel aufkommen lässt, dass es sich um wirklich stattgefundene Begebenheiten handelt. Letztlich ist dies auch nur ein filmischer Trick, aber er funktioniert hier blendend, jedoch sollte sich jeder klarmachen, dass das vom Film erzeugte reale Grauen letztlich auch nur einem dramaturgischen Schema unterordnet ist.


Bunting kümmert sich um "seine Jungs"
„Die Morde von Snowtown“ ist weitestgehend ein gelungener Film, der seine Thematik ernst nimmt und selbst bei schockierenden Szenen seinen nüchternen Blick beibehält. Genau dies macht ihn so erschreckend wie so aufwühlend. Leider findet Regisseur Justin Kurzel nach gut einer Stunde, wenn alles aufgerollt und behandelt wurde keinerlei festen Halt mehr in seiner Inszenierung. Der innerliche Kampf des 16-jährigen Jaime wird zwar zunehmend stärker in den Mittelpunkt gepresst, aber auch hier verliert sich Kurzel, wie in anderen Bereichen, in Wiederholungen. Im Verlauf der Handlung nimmt die Drastik zwar zu, inhaltlich wird jedoch wenig Neues geboten. Dies wird allerdings durch das intensive Spiel der Darsteller relativ gut kaschiert. Daniel Henshall als John Bunting ist so brillant wie abstoßend. Vom freundlichen Vaterersatz, zum alles manipulierenden Gewalttäter. Vor allem sein Motiv beinhaltet erschreckende Nachwirkungen. Sein Kampf gegen die örtlichen Pädophilen fördert zunächst eine gewisse Sympathie, auch wenn er bereits dort Maßnahmen anwendet, die aller Wahrscheinlichkeit abseits legaler wie ethnischer Pfade stattfindet. Aber aus der „Säuberung“ wird mehr und mehr ein brutaler wie bösartige Diktatur von Selbstjustiz. Auf Buntings Liste stehen alle, die er für schuldig hält, die seine Sicht einer sauberen Welt nicht erfüllen. „Die Morde von Snowtown“ ist ein klares Lehrstück über Faschismus, die rigoros aufzeigt zu was Bunting und seine Männer fähig waren und wie brutal nicht nur ihre Vorgehensweisen, sondern vor alle auch Buntings Demagogie war. Vielleicht ist dies auch eine Schwäche des Films. Oftmals bleibt ein unguter Eindruck zurück, dass Kurzel Jaime zu sehr in eine Opferrolle drängt, die dem Teenager aber im Laufe des Films immer schwerer überzuziehen ist. Da helfen auch die teils wirklich sehr aufgesetzten Off-Kommentare nicht weiter.


„Snowtown“ ist kein schöner, aber ein guter Film. In seiner rigorosen Authentizität verbirgt sich eine Menge zum nachdenken, wie auch zum abschrecken. Bedauerlicherweise gelingt es Regisseur Kurzel nicht ganz den Sog der Inszenierung aufrecht zu erhalten, da er stellenweise etwas zu stark auf der Stelle tritt. Die Entwicklung stagniert und dennoch ist er Wirkung, die „Snowtown“ hat, kraftvoll. Ein Drama mit Thriller-Elementen, welches Tritte und Schläge in die Magengrube austeilt und den Zuschauer in eine hässliche Welt einführt und sich dazu weigert einfache Ausflüchte darzubieten. Die Hoffnung stirbt zuletzt, so heißt es. In „Snowtown“ scheint sie nie gelebt zu haben.

7 von 10

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